Abstimmung im EU-Ausschuss über Roaming und Netzneutralität

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Thijs ter Haar Bildname: European Union Flags 2. Ausschnitt bearbeitet.
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Veröffentlicht am 28.03.2014

Im federführenden Industrieausschuss (ITRE) des EU-Parlaments fand am 18. März die Abstimmung über den Entwurf einer Telekommunikationsverordnung statt, der unter anderem Regelungen zum Roaming sowie zur Netzneutralität enthält. Die Ausschussabgeordneten stimmten mehrheitlich für den Entwurf und lösten damit europaweite Reaktionen im Netz aus, die das Abstimmungsverhalten hinsichtlich der Netzneutralität kritisierten.

Digitale Gesellschaft e.V. fordert Recht auf Zugang

Der Verein Digitale Gesellschaft bemängelte, dass der Entwurf Internetnutzern lediglich freistelle, auf Dienste und Inhalte im Netz mit beliebigen Endgeräten zuzugreifen, diese Möglichkeit jedoch nicht gerichtlich durchsetzbar sei. Der Zugang zum offenen Internet müsse ein einklagbares Recht der Nutzer sein, fordert der Geschäftsführer Alexander Sander. Gleichzeitig erlaubt der Entwurf den Internetanbietern spezielle Dienste gegen Entgelt anzubieten. Dadurch, befürchtet der Verein, stünden die Verbraucher bald vor einem „Tarifdschungel“ mit unzähligen Zugangsangeboten und unterschiedlichen Zusatzpaketen.

European Digital Rights kritisiert Monopolbildung

Die europaweite Organisation European Digital Rights (EDRi) äußerte sich besonders kritisch gegenüber der angenommenen Entwurfsfassung. Das Abstimmungsergebnis beende das freie, offene und wettbewerbsfähige Internet, klagte Geschäftsführer Joe McNamee. Da die Kommission und die EU-Mitgliedsländer angesichts der anstehenden EU-Parlamentswahlen gute Presse für die Abschaffung der Roaming-Gebühren erreichen wollten, sei der Verordnungstext zu eilig verfasst worden. Mit dem Entwurf werde den Telekommunikationsunternehmen ermöglicht, ihre eigenen Dienste im Netz zu priorisieren, sofern sie diese als „specialised services“ deklarieren. Durch solche Vereinbarungen mit großen Firmen würden innovative Start-ups vom Markt ferngehalten und neue Monopole gebildet, so der Geschäftsführer. Wenn diese Klauseln nicht geändert werden, mahnt McNamee, würde die Netzlandschaft sich zu Ungunsten der EU-Bürger entwickeln.

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La Quadrature du Net bemängelt Priorisierung

La Quadrature du Net, eine französische Bürgerrechtsorganisation, die auf europäischer Ebene im netzpolitischen Bereich ebenfalls eine gewisse Reichweite genießt, schätzt den beschlossenen Verordnungsentwurf gleichermaßen negativ ein. Die Abgeordneten des Ausschusses hätten sich der Lobby der Telekommunikationsanbieter gebeugt, kritisiert die Organisation. Seit dem ursprünglichen Vorschlag sei die aktuelle Version zwar an einigen Stellen verbessert worden. So wurde die Definition von Netzneutralität gestärkt. Allerdings bemängelt auch La Quadrature du Net die „specialised services“, welche ihrer Auffassung nach den Wettbewerb zwischen Internetgiganten und kleineren Akteuren untergraben, indem sie bestimmte Dienste im Netz bevorzugt übermitteln.

Weitere Hürden im parlamentarischen Ablauf

Roaming-Gebühren sollen laut Verordnungsentwurf bis Ende 2015 abgeschafft werden. Die Verordnung zielt auch darauf ab, den Wechsel zwischen Internetanbietern für Verbraucher zu erleichtern. Zudem sollen die Verträge für Kunden transparenter werden. Am 2. April findet die Plenardebatte im EU-Parlament statt, bevor am darauffolgenden Tag die Abstimmung aller EU-Parlamentarier erfolgt. Die Abstimmung im federführenden Ausschuss gilt gewöhnlich als wichtige Empfehlung für das Plenum. Zivilgesellschaftliche Akteure haben dazu aufgerufen, die Abgeordneten zu kontaktieren und für eine konkrete Eingrenzung der „specialised services“ zu plädieren, die die Netzneutralität stärker absichert. Die EU-Kommission erwartet eine endgültige Einigung auf die Verordnung bis Ende 2014. Zuvor müssen sich die Mitgliedsländer der EU noch im Rat auf den Entwurf einigen. Nach der Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments Anfang April wird zunächst eine parlamentarische Pause aufgrund der Neuwahlen eingelegt, solange die Neuverteilung der Fraktionen und ihrer Abgeordneten geregelt wird.

Stimmen zu dem Thema:

Neelie Kroes, Vizepräsidentin der EU-Kommission

This vote is great news and I would like to thank the rapporteur Pilar del Castillo and all the MEPs involved for all their hard work and cooperative spirit. Digital tools and telecoms networks enable productivity and performance in every area of our lives. And now we are one step closer. This is about ensuring a dynamic, healthy, competitive telecoms sector, fit to face the future. It’s about arming every European business with the tools and networks they need to innovate and grow. And giving every European citizen the seamless connectivity they have come to demand – without unfair practices like blocked services or roaming charges.

(EU-Kommission, 18.03.2014)

Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft

Der Zugang zum offenen Internet und die Wahlfreiheit bei Diensten, Inhalten und Endgeräten muss als einklagbares Recht der Nutzerinnen und Nutzer ausgestaltet werden. Indem sich der Ausschuss einer solchen Formulierung in den Weg stellt, verweigert er Verbraucherinnen und Verbrauchern das nötige Rüstzeug zur effektiven Verteidigung ihres Netzzugangs und beschert ihnen stattdessen neue Rechtsunsicherheiten.

(DigiGes, 18.03.2014)

Joe McNamee, European Digital Rights (EDRi)

If this result is not overturned by the vote of the full European Parliament in two weeks, the result will be a weaker, poorer online environment, to the detriment of European citizens and European innovators. Ultimately, this will become clear to the former monopoly telecoms providers that a poor uncompetitive and uninventive European internet harms them also, but by then it will be too late.

(EDRi, 18.03.2014)

Félix Tréguer, Mitbegründer von La Quadrature du Net

What is at stake in this regulation is no less than the fate of the Internet commons. Are we going to let big telecom operators and Internet giants dictate the terms of the digital economy or will lawmakers adopt strong binding principles making sure that the Internet remains a decentralized platform for freedom of communication and innovation, where citizens and new entrants can challenge entrenched players? This is the crucial question that will soon be addressed through the upcoming plenary vote, and one that citizens should ask to their elected representative in Brussels ahead of the upcoming EU elections.

(LQduNet, 18.03.2014)

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital und ist Teil der aktuellen Ausgabe zur Netzpolitik. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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