Arbeit 4.0 – BMAS-Studie und SPD-Positionspapier

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Pressefoto: BMAS
Veröffentlicht am 15.03.2016

Das Bundesarbeitsministerium hat am 1. März die Foresight-Studie „Digitale Arbeitswelt“ veröffentlicht, die zahlreiche Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Interessenvertretungen und Sozialpartner sowie für die Politik enthält. Sie liefert damit einen Beitrag zu dem Dialogprozess „Arbeiten 4.0“, den Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im April vergangenen Jahres gestartet hatte. Ende dieses Jahres will die Ministerin das Weißbuch Arbeiten 4.0 präsentieren, in das die politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskussionsbeiträge einfließen sollen. Insbesondere mit den Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt und das Solidarsystem beschäftigt sich auch das neue Positionspapier der SPD-Bundestagfraktion vom 25. Februar, mit dem sich die Abgeordneten an dem Dialogprozess des BMAS beteiligen.

Bildung

Einen Schwerpunkt legen die Sozialdemokraten beim Thema Bildung. Im Sinne des Prinzips des lebenslangen Lernens, das vor mehr als zehn Jahren vom BMBF unter Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) als Entwicklungsziel ausgerufen wurde, wollen sie die beitragsfinanzierte, die betriebliche, die tarifliche und die öffentliche Bildung so organisieren, „dass sie untereinander anschlussfähig und besser verzahnt sind als heute“, heißt es in dem Positionspapier. Weiterbildungsmaßnahmen sollen zukünftig „entsprechend dem jeweils überwiegenden Bildungsinteresse“ über Sozialversicherungsbeiträge, von den Unternehmen, den Tarifpartnern (z.B. Branchenfonds), über Steuern oder mit Beiträgen der Bildungsteilnehmer finanziert werden. Die Foresight-Studie des BMAS rät der Politik in diesem Zusammenhang, insbesondere Teilzeitfortbildungen zu fördern. Außerdem sollten Qualifikationsbedarfsanalysen und -prognosen erstellt werden, um den Änderungsbedarf in der beruflichen und der schulischen Bildung zu ermitteln. Das Ausbildungssystem müsse außerdem an die beschleunigten Technologie- und Softwarezyklen angepasst werden. Statt einer Substitution von Lehrinhalten plädieren die Wissenschaftler des Instituts für Innovation und Technik aber für eine „sinnvolle Kombination mit neuen Wissensbedarfen“.

Arbeitsrecht

Beim Arbeitsrecht greifen die Bundestagsabgeordneten zwei Vorschläge aus dem digitalen Grundsatzprogramm #DigitalLeben auf, das die SPD im vergangenen Dezember auf ihrem Bundesparteitag verabschiedet hatte. Die SPD-Fraktion will zum einen prüfen, ob der technischen Möglichkeit der permanenten Erreichbarkeit ein faktisches „Recht auf Nichterreichbarkeit“ oder ein Recht auf „Nicht-Reaktion außerhalb bestimmter Arbeitszeiten“ entgegengesetzt werden kann. Ihrer Ansicht nach ist es auch Aufgabe der Betriebs- und Tarifparteien, den möglicherweise belastenden Effekten der umfassenden Erreichbarkeit mit „geeigneten Vereinbarungen“ entgegenzuwirken. Dies mahnt auch die Foresight-Studie an. Zum anderen wollen die Sozialdemokraten einen „Rechtsanspruch auf ein Mindestmaß an mobiler Arbeit“ prüfen. Dabei könnte der Arbeitnehmer einen bestimmten Anteil der betrieblichen Arbeitszeit an einem selbst gewählten Ort verbringen und dadurch mehr Orts- und Zeitsouveränität gewinnen.

Datenschutz

Einen Schwerpunkt bei den politischen Handlungsempfehlungen setzt die vom BMAS in Auftrag gegebene Studie beim Thema Datenschutz. Während die SPD-Bundestagsfraktion sich in diesem Positionspapier lediglich grundsätzlich dafür ausspricht, den Beschäftigtendatenschutz fortzuentwickeln und die „diesbezüglichen Spielräume der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung für eigenständige Regelungen“ zu nutzen, raten die Wissenschaftler nicht nur dazu, das informationelle Selbstbestimmungsrecht aller Beschäftigen zu sichern, sondern auch zur Etablierung „wirksamer Regelungen und Kontrollen zum Schutz von Mitarbeitern vor digitaler Überwachung“. Die Notwendigkeit ergebe sich aus der Erfassung von Arbeitsprozessen und der daraus resultierenden Möglichkeit zur Kontrolle von Leistung, Internetverhalten und Privatleben. In dieser Hinsicht sehen die Verfasser der Studie Cloud- und Crowdworker ganz besonders gefährdet. Sie weisen darauf hin, dass beispielsweise die Crowdsourcing-Plattform „oDesk“ einem Auftraggeber sechsmal pro Stunde ein Foto vom Bildschirm des Auftragnehmers zukommen lasse.

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Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Pressefoto: BMAS

Soziale Sicherungssysteme

Die SPD-Bundestagsfraktion beschreibt in ihrem Positionspapier die Notwendigkeit, angesichts der veränderten Erwerbsbiografien und neuen Arbeitsformen im Rahmen von Arbeit 4.0 die Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu reformieren. Langfristig sollen diese zu einer Arbeits-, Erwerbstätigen- bzw. Bürgerversicherung weiterentwickelt werden. Ihre Attraktivität für bisher ungeschützte Personenkreise soll gesteigert und Soloselbständige sowie Erwerbstätige in neuen Beschäftigungsformen in den Schutz der kollektiven Sozialversicherungssysteme einbezogen werden. Diese beiden Punkte waren ebenfalls Inhalt des SPD-Grundsatzprogramms #DigitalLeben und auch die BMAS-Studie rät dazu. Die Wissenschaftler fordern die Politik außerdem dazu auf, die Auftraggeber an der sozialen Absicherung der Selbstständigen zu beteiligen, „insbesondere an der Altersversorgung (analog zum Arbeitgeberbeitrag)“. Diese Position hatten im Dezember des vergangenen Jahres bereits einige netzpolitische Experten der SPD gemeinsam mit dem Progressiven Zentrum und dem Think Tank D64 in einem Policy-Brief vertreten, der sich kritisch mit den Standpunkten der SPD auseinandergesetzt und diese zum Teil weiterentwickelt hatte.

So viel Veränderungsbedarf die SPD-Bundestagsabgeordneten beim Thema Versicherung sehen, so wenig verabschieden sie sich aber von ihrem Ideal des Normalarbeitsverhältnisses: „Wir müssen handeln, damit das Normalarbeitsverhältnis, also die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung mit festen Arbeitszeiten, nicht an Bedeutung verliert und andere Beschäftigungsmodelle wie Soloselbständigkeit, Leiharbeit, Werkvertragsarbeit, Clickworking und Cloudworking nicht an Bedeutung gewinnen“, schreiben sie in ihrem aktuellen Positionspapier.

 

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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