Arbeiten 4.0: Grünbuch zur Arbeit der Zukunft

Veröffentlicht am 04.05.2015

Die Debatte um die Digitalisierung sei derzeit sehr technikgetrieben, andere Aspekte – z.B. wie sich die Veränderungen auf die Zukunft der Arbeit auswirkten – kämen noch zu kurz, befand Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am Mittwoch, 22.04.2015, bei der Auftaktveranstaltung „Arbeiten 4.0“ ihres Ministeriums. Diesen Umstand will die SPD-Politikerin jetzt ändern und mit einem Grünbuch Arbeiten 4.0 die gesellschaftliche Diskussion anschieben. Auf dem Weg zum Weißbuch, das Ende 2016 präsentiert werden soll, ist nicht nur der Rat der Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft gefragt, mit denen die Ministerin auf bereits bestehenden Plattformen, weiteren Konferenzen und Workshops in einen Fachdialog eintreten will. Zu Wort kommen sollen in einem öffentlichen Dialog auch Bürger, die sich über die sozialen Medien, eine Bürgerbefragung und ein Filmfestival beteiligen können.

Die Handlungsfelder, um die es bei der gesellschaftlichen Debatte gehen soll, sind im Grünbuch bereits skizziert: die Sicherung der Teilhabe an Arbeit, das Gleichgewicht von Arbeit und Leben, die Durchsetzung gerechter Löhne und den Erhalt sozialer Sicherheit, die Weiterentwicklung von Ausbildung und Weiterbildung, gute Arbeit im Wandel und die Etablierung einer nachhaltigen Unternehmenskultur. All diese Bereiche unterlägen in Zeiten der Digitalisierung veränderten Rahmenbedingungen, so dass neue Antworten gefordert seien, um die Ziele zu erreichen, heißt es in dem Grünbuch. Dabei stellen sich u.a. Fragen nach den Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle außerhalb abhängiger Beschäftigung auf die sozialen Sicherungssysteme sowie deren Risiken für die Arbeitnehmer oder wie sich die Digitalisierung auf Berufe mit einfachen Tätigkeiten und den Arbeitsmarkt insgesamt auswirke.

„Die Roboter verlassen gerade ihre Käfige“

Einen Einblick davon gewannen die etwa 300 Teilnehmer der Auftaktveranstaltung beim Vortrag von Horst Neumann, Personalvorstand der Volkswagen AG. „Die Roboter verlassen gerade ihre Käfige“, dies sei die Entwicklung dieses Jahrzehnts, postulierte Neumann. Bei Volkswagen sei zu beobachten, dass die qualifizierte Arbeit bleibe, aber die taktgebundene Arbeit mit jedem neuen Golf weniger werde. Denn gerade in der Automobilindustrie gebe es viele Arbeiten, die nicht menschengerecht und besser von Robotern zu bewältigen sei. Die Zahl der Belegschaft habe sich bereits halbiert. Da Deutschland ein Hochlohnland sei, werde diese Entwicklung seiner Einschätzung nach rasant weitergehen. Die Arbeitsstunde eines Roboters koste zwischen drei und fünf Euro, die eines Arbeitnehmers zwischen 30 und 50 Euro.

Vor diesem Hintergrund des zunehmenden Robotereinsatzes sei es von Vorteil, dass die Generation der Babyboomer in den nächsten zehn Jahren in Rente gehe. Wer im Unternehmen bestehen wolle, müsse sich weiterbilden. Das gelte vor allem für die Generation der jetzt 30- bis 40-Jährigen, die im Gegensatz zu der jüngeren Generation noch Berufe mit weniger Fertigkeiten in puncto Digitalisierung erlernt hätten. An diesem Punkt setzt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles an. Damit die Arbeitnehmer für den digitalen Wandel gut gerüstet sind, schlägt sie die Einrichtung einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung vor. Die soll nicht erst tätig werden, wenn der Fall der Arbeitslosigkeit bereits eingetreten ist, sondern die Arbeitnehmer berufsbegleitend auf die neuen Herausforderungen der Digitalisierung vorbereiten, wie die Ministerin bei der Auftaktveranstaltung „Arbeit 4.0“ erläuterte.
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„Industrie 4.0“ bietet Chance für Arbeitsplätze

Ob die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich für so viele Menschen negative Folgen haben wird, wie der Bericht von Horst Neumann und auch die Frey-Osborne-Studie der Oxford-Universität vermuten lassen, nach der 47 Prozent der US-Arbeitsplätze in Gefahr seien, stellte bei der anschließenden Diskussion Prof. Hartmut Hirsch-Kreinsen von der TU Dortmund in Frage. Bei der Substituierung von Arbeit gebe es verschiedene Ansätze. Während die einen davon ausgingen, dass die Hälfte der Arbeitsplätze wegfalle, rechneten andere damit, dass durch den Wandel auch neue Arbeitsplätze entstünden. So werde erwartet, dass durch Industrie 4.0 in Deutschland 400.000 neue Jobs geschaffen würden.

Im Arbeitsalltag bekämen Arbeitnehmer die Veränderungen durch die Digitalisierung schon jetzt zu spüren, so Bundesarbeitsministerin Nahles. Telearbeit und mobiles Arbeiten werde durch die neuen Kommunikationsmittel ermöglicht. Die Hälfte der Arbeitnehmer empfänden die neuen Kommunikationsmittel einer Studie zufolge bei der Arbeit daher nicht als Belastung, für zehn Prozent seien sie sogar eine Erleichterung. Schließlich sorgten sie für mehr Flexibilität und selbstbestimmtes Arbeiten, was vielen wichtig sei. Ein Elternteil könne so früher das Büro verlassen, um den Nachmittag mit den Kindern zu verbringen und berufliche Mails noch am Abend von zu Hause aus erledigen. Laut der aktuellen Arbeitszeitgesetzgebung dürfte dieser Mitarbeiter allerdings am nächsten Morgen nicht früh ins Büro kommen, skizzierte Nahles eines der Probleme des digitalen Wandels. Gemeinsam mit den Sozialpartnern müsse die Arbeitszeitregulierung den neuen Bedingungen angepasst werden. „Wir brauchen einen neuen Flexibilitätskompromiss“, forderte die Bundesarbeitsministerin.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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