US-Wahlkampf im Social Web: Schließt Romney die digitale Lücke?

Mitt Romney ist natürlich auch auf twitter aktiv
Veröffentlicht am 12.10.2012

Als Barack Obama sich 2008 zuerst in den parteiinternen Vorwahlen gegen Hillary Clinton und anschließend im Kampf um das Weiße Haus gegen John McCain durchsetzte, schrieben viele Leitartikler und, na klar, Blogger, dass Obama seinen Sieg auch facebook und anderen sozialen Netzwerken zu verdanken habe.

Obamas Sieg resultierte aus dem Internet

Mitt Romney ist natürlich auch auf twitter aktivDenn wie schon Franklin Roosevelt (Radio) und John F. Kennedy (TV) wussten Obama und sein Team, auf welches Medium sie setzen müssen, um ihre Wähler beziehungsweise bestimmte Wählergruppen zu erreichen. So konnte Obama 2008 mit einer umfassenden digitalen Kampagne Jung- und Erstwähler direkt ansprechen – und gewann schließlich 66 Prozent der Stimmen bei den 18- bis 29-Jährigen. Obamas Kampagne war dabei von Anfang an ein hybrides Meisterwerk, seine Strategen verknüpften mit mybarackobama.com als zentralem Organisationsnetzwerk effektiv online und offline. Digital mobilisierte Unterstützer wurden zu lokalen Graswurzel-Aktivisten, die an Millionen Haustüren klopften.

Seitdem diente Obamas Internetwahlkampf als Blaupause für unzählige politische Kampagnen. Auch die Republikaner lernten und adaptierten schnell. Bereits bei den Kongresswahlen 2010 hatten sie nicht nur zu den Demokraten aufgeschlossen, sondern übertrafen diese in der Nutzung der sozialen Medien. Republikanische Kandidaten und Kongressabgeordnete nutzen YouTube, Twitter und Facebook intensiver und effektiver, so das US-Magazin Mother Jones, welches einer Lobhudelei für die GOP ansonsten komplett unverdächtig ist, während ihre demokratischen Pendants dort oftmals nicht einmal Accounts hatten.

Gingrich hat mehr twitter-Follower

Und 2012? Newt Gingrich hatte zwar mehr twitter-Follower (von denen nach konservativen Schätzungen wohl aber nur acht Prozent keine Fakes waren), die Paulbots dominierten oft die Kommentarbereiche und Sarah Palin kokettierte auf facebook fröhlich vor Millionen Fans damit, ob sie nun doch noch ins Rennen einsteigt oder nicht. Mitt Romney aber hatte die mit Abstand professionellste Kampagne aller Kandidaten in den GOP-Vorwahlen, auch im digitalen Bereich.

Allerdings ging es danach nicht mehr um den Rüssellängenvergleich mit anderen Elefanten, sondern gegen einen riesigen virtuellen Esel, der Romney, Gingrich und Co. zu Minifanten im Social Web degradierte, wie diese Infografik anschaulich zeigt.

Romneys Team sehr aktiv

Obama hat seit 2008 einen riesigen Vorsprung im digitalen Bereich aufgebaut – und Zac Moffat, der Leiter von Romneys Digitalkampagne, und sein Team geben sich alle Mühe, diese Lücke zu schließen oder zumindest zu verkleinern. Dabei setzen sie neben einer Homepage, die viele Organisationselemente von mybarackobama.com übernommen hat (und die das Parteikomitee der Republikaner als Social Victory Center mit eher mäßigem Erfolg auch für facebook geklont hat), vor allem auf, wenn man das mit Hinblick auf soziale Netzwerke sagen kann, Altbewährtes: facebook, twiter und Google (inklusive YouTube) sind die zentralen sozialen Kommunikationskanäle.

Hier holt Romney tatsächlich auf, seine Zuwachsraten bei facebook sind zum Teil deutlich höher als die von Obama, der aber natürlich mit Hinblick auf Fans auf einem ganz anderen Level angekommen ist. Ebenso braucht Team Romney den Vergleich mit Hinblick auf Indikatoren wie Interaktionsrate oder Viralität von Inhalten in sozialen Netzwerken nicht zu scheuen. Und auch bei den Rapid Response-Aktionen, bei denen im Handumdrehen via twitter mit Hashtags oder YouTube mit Videos auf neue Entwicklungen oder den politischen Gegner reagiert wird , um im Social Web die Deutungshoheit zu erlagen, haben Romney und Moffat ein eigenes Team aufgebaut. So weit, so gut – aber nichts wirklich Neues, nichts Innovatives.

Die Ausflüge von Romney in neue digitale Gefilde sorgten hingegen oftmals eher für Spott. So versprach Romney – in Analogie zu Obama (der 2008 seine Wahl von Joe Biden als Vizepräsident per SMS bekanntgab) – seinen Anhängern, dass er sie exklusiv über eine eigens kreierte App darüber informieren werde, wer sein Running Mate sein wird. Obwohl vorher schon feststand, dass er sich für Paul Ryan entschieden hatte. Aber mit so einer App lassen sich natürlich sehr gut Wählerdaten abfischen. Auch eine App, mit der Nutzer ihren Support für Romney zeigen sollten, ging nach hinten los. Denn in der App war die Rede von einem besseren „Amercia“. Die App war daraufhin ein Riesenerfolg, viraler war Romney nie, wenn auch unfreiwillig. Und die geteilten Fotos auf Instagram, die Romney als netten Nachbarn von nebenan zeigen sollen, bewirken eher das Gegenteil.

Clever hingegen ist, dass Romney anscheinend im Umfeld des populären Blogs „Rich Kids on Instagram“ Werbung schaltet, die auch gleich auf eine Spendenseite verlinkt. Ebenso nutzt Romneys Team mobiles Fundraising: Wenn seine Unterstützer an die Haustür von potentiellen Wählern klopfen, können sie gleich über ihr Smartphone per Kreditkarte Wahlkampfspenden einsammeln. Und wer von beiden hatte das neue Twitter-Profil schneller an den Start gebracht? Romney.

Zac Moffat sieht sein Team und den digitalen Wahlkampf von Romney natürlich zumindest gleichauf mit dem von Obama, wenn nicht sogar mit Vorteilen. Ob das stimmt oder ob Obama immer noch Vorteile im Social Web hat und dort innovativer agiert, werden wir nächste Woche näher beleuchten.

Über den Autor: Adrian Rosenthal ist Head of Digital and Social Media bei MSL Germany und bloggt auf amerikawaehlt.de  über den US-Wahlkampf.

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