EU sucht Mrs Digitale Agenda

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Thijs ter Haar Bildname: European Union Flags 2. Ausschnitt bearbeitet.
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Veröffentlicht am 15.08.2014

Mitte Juli hielt Jean-Claude Juncker, inzwischen gewählter Präsident der neuen Europäischen Kommission – seine Antrittsrede in Straßburg über die politischen Leitlinien für die nächste Amtszeit. Als einen von zehn Politikbereichen, die im Fokus seiner Agenda stehen sollen, nannte Juncker den vernetzten digitalen Binnenmarkt. Der neue Kommissionspräsident forderte „den Mut, die bestehenden nationalen Silostrukturen in den Telekommunikationsvorschriften, im Urheberrechts- und Datenschutzrecht, bei der Verwaltung von Funkfrequenzen und in der Anwendung des Wettbewerbsrechts aufzubrechen“. Ein Thema, das der Luxemburger Juncker auch schon bei seinem Besuch im BASE_camp im Mai 2014 mit Gründern diskutierte.

Sein Ziel ist der im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlose Zugang zu Diensten, Musik, Filmen oder Sportveranstaltungen auf den elektronischen Geräten der Verbraucher überall in Europa. Durch den vernetzten digitalen Binnenmarkt könne die Arbeitsmarktsituation verbessert werden, erklärte er und schätzte ein zusätzliches Wachstum innerhalb der Amtszeit der neuen Kommission auf bis zu 250 Milliarden Euro. Dafür kündigte er an, im ersten Halbjahr seines Mandats entsprechende gesetzgeberische Schritte einzuleiten. Einige netzpolitische Großprojekte wurden von den Vorgängern bereits begonnen, doch einige Bereiche warten noch auf innovative Neugestaltung.

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Datenschutz in Wartehaltung, Urheberrecht in Startposition

Ein Schritt wäre seiner Meinung nach ein rascher Abschluss der Verhandlungen über gemeinsame europäische Datenschutzbestimmungen. Nach der Wahl im Mai 2014 wartet der Entwurf der Datenschutzgrundverordnung auf die Neubildung von Kommission und Parlament. Letzteres hatte, noch in seiner alten Besetzung, dem aktuellen Entwurf zugestimmt, der nach etwa 3.000 Änderungsanträgen mit viel Verspätung zustande gekommen war. Ein weiterer Punkt in Junckers Rede ist „die Modernisierung des Urheberrechts unter Berücksichtigung der digitalen Revolution und des damit geänderten Verbraucherverhaltens“. Ende Juli 2014 hatte die EU-Kommission ihren Bericht über die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zum europäischen Urheberrecht vorgelegt. Nun gilt es, die verschiedenen Meinungen der Bevölkerung in einem neuen Gesetzentwurf zu berücksichtigen – doch gute und umsetzbare Lösungsansätze für eine faire Vergütung der Urheber bei gleichzeitiger Nutzbarkeit der digitalen Güter für Verbraucher waren bislang eher rar.

Im September 2013 hatte die Kommission einen Entwurf für eine Verordnung über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents vorgelegt, der im April 2014 die Zustimmung des EU-Parlaments fand. Nun prüfen die EU-Mitgliedstaaten den Verordnungsvorschlag. Der Plan ist es, eine endgültige Einigung bis Ende 2014 zu erzielen.

Digitale Kompetenzen: Gründer und Verbraucher stärken

Zudem gehören Maßnahmen zur Verbesserung der digitalen Kompetenz und einer erleichterten Gründung innovativer Start-up-Unternehmen zu den Schwerpunkten von Junckers Agenda. Anfang 2013 verabschiedete die Kommission den Entrepreneurship 2020 Action Plan, um das unternehmerische Potenzial zu fördern. Außerdem wurde im März 2013 die „Grand Coalition for Digital Jobs“ gestartet, eine Multistakeholder-Partnerschaft, um den IKT-Sektor mit neuen Fachkräften zu füllen. Es ist derzeit unklar, ob die EU mit einer Verordnung zur Förderung digitaler Lernmethoden die Mitgliedsstaaten zu mehr Engagement im Bildungsbereich zwingen will. Weiterhin beschrieb Juncker in seinen Ausführungen zum Amtsantritt, dass er die Verbraucherschutzvorschriften beim Online-Kauf und beim Kauf digitaler Produkte vereinfachen und modernisieren wolle. Erst kürzlich, im Juni 2014, trat in Deutschland das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Kraft, welches unter anderem das Widerrufsrecht für Käufe in Onlineshops neu regelte.

Dem „Grundrecht auf Datenschutz“ misst Juncker in seiner Rede besondere Bedeutung bei, denn er erklärte, alle EU-Bürger müssten ihre Datenschutzrechte bei US-Gerichten einklagen können und die USA sollten die Europäer davon überzeugen, dass das Safe-Harbour-Abkommen tatsächlich Bestand habe. Allerdings ist diese Vereinbarung, wie üblicherweise jedes Abkommen, nicht völkerrechtlich bindend, sondern freiwilliger Natur. Zudem ist inzwischen das geplante transatlantische No-Spy-Abkommen, welches eine Zeitlang als Anti-Spionage-Pakt zwischen der EU und den USA im Gespräch war, vorerst gescheitert.

Eine neue Mrs Digitale Agenda für die EU?

Um all diese Bereiche künftig zu bearbeiten und weiterzuentwickeln, bedarf es einer Nachfolge für die bisherige Kommissarin Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständig war. Doch der für den 1. November geplante Amtsantritt der neuen Kommission ist unsicher, denn Portugal, Dänemark und Slowenien haben noch gar keine Personalien eingereicht und einige Kandidaten aus anderen Staaten warten noch auf genügend Rückendeckung aus ihren nationalen Parlamenten. Unter den bisher Nominierten hat niemand einen digitalen Schwerpunkt in der letzten Berufsposition vorzuweisen. Eine Ausnahme könnte Cecilia Malmström sein, die als Kommissarin für innere Angelegenheiten häufiger auch mit digitalen Themen in Berührung war. Da die neue Kommission noch einen großen Mangel an weiblichem Personal vorweist, könnte sie zur Ausgewogenheit der Geschlechter beitragen.

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