Fachgespräch „Vernetztes Auto“

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Matthias Ripp. Bildname: Urban Mobility/ Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 26.11.2014

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen veranstaltete am Montag, 10. November, ein öffentliches Fachgespräch im Bundestag unter dem Motto „Vernetztes Auto – Chancen und Risiken“. Die eingeladenen Experten lobten die Grünen für die Organisation einer Veranstaltung über ein Thema, welches zwar noch in der Zukunft liegt, jedoch bereits sehr relevante Fragen aufwirft. Beim Bundesverkehrsministerium ist ein Runder Tisch zum automatisierten Fahren eingerichtet worden, dessen Ergebnisse Ende des Jahres erwartet werden.

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Klimaschutz durch intelligente Mobilität

Das erste Panel wurde moderiert von den Grünen-Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik, und Dieter Janecek, Sprecher für Wirtschaftspolitik. Inhaltlich drehte sich die Diskussion um den Themenkomplex der klimafreundlichen Mobilität durch das vernetzte Auto.

Dr. Matthias Klauda, Senior Vice-President und Leiter des Zentralbereichs Automotive Systems Integration der Bosch GmbH, erläuterte künftige Parkraumlösungen, denn viele Fahrer nutzten bereits heute verschiedene smart parking-Lösungen und sparten dadurch mehrere Tonnen Abgase ein. Smart Parking wird u.a. durch Ultraschallsensoren ermöglicht, die freie Parkplätze wahrnehmen. Daraufhin meldet die bestehende Smart Parking-Gemeinschaft diese Daten an das Parkplatz suchende Auto. Man müsse jedoch aus wirtschaftlicher Sicht auch die Vorteile für Parkhausbetreiber verdeutlichen. Durch eine höhere Packungsdichte in den Parkhäusern ließen sich beispielsweise Parkhäuser noch wirtschaftlicher betreiben. Zusätzlich forderte Klauda grundsätzlich Rechtssicherheit und Datensicherheit für „automotive adaptive Standards“. Die Regulierung müsse zudem Energieeffizienz ermöglichen, betonte er. Er glaube jedoch nicht daran, dass eine flächendeckende komplette Fernsteuerung von Autos möglich sei.

Google will Partnerschaft beibehalten

Für das Unternehmen Google, welches im Bereich autonomes Fahren sehr aktiv forscht, sprach Jens Redmer, Head of New Products and Solutions. Selbstfahrende Autos müssen nicht pausenlos online sein, erwiderte er auf die geäußerte Kritik an der Datensammlung im Fahrzeug. Google folge der Nachfrage von Nutzern und verknüpfe diese mit Anzeigendienstleistern. Das Unternehmen sehe sich als Partner der Automobilindustrie, nicht als Konkurrenz, hob er hervor. Zum anderen seien Automobildaten nur ein kleiner Teil des Geschäftsmodells von Google. Viel nützlicher seien die bereits vorhandenen und täglich erhobenen Smartphone-Daten, daher sei das Unternehmen nicht angewiesen auf diese Daten bzw. nicht alle Sorten von Daten seien interessant für Googles Geschäftsmodell. Google befinde sich in enger Partnerschaft mit Automobilunternehmen und Zulieferern, erläuterte Redmer, etwa im Bereich der Entertainmentangebote. Allerdings sei die Entertainment-Ebene strikt zu trennen von essentiellen Elementen des Fahrens, z.B. von Brems- und Steuersystemen. Hinsichtlich der teilweise sehr vielfältigen Berechtigungen von Apps betonte Redmer die große Verantwortung von Plattformanbietern und Programmierern von Apps. Allerdings müssten die Nutzer die Anforderungen der Apps verstehen, denen sie mit der Nutzung zustimmen und dies sei eine große Herausforderung. Unabhängig von der vernetzten Mobilität müsse das Problem der digitalen Infrastruktur gelöst werden.

Vorteile durch neue Geschäftsmodelle

Professor Stephan Rammler, Gründungsdirektor des Instituts für Transportation Design, wies darauf hin, es sei nicht nur der Personenverkehr betroffen. Er äußerte seine Überzeugung, dass ein autonomer Gütertransport möglich sei, da in diesem Bereich geringere ethische und datenschutzrechtliche Bedenken herrschten. Zudem argumentierte er, es seien keine teuren Infrastrukturmaßnahmen notwendig, vielmehr sollten kollektive Verkehrsträger stärker verknüpft werden, etwa durch eine bessere Einbindung von Fahrradwegen.

Auch der ländliche Raum werde zunehmend erschlossen, etwa durch Nachbarschaftsorganisationen und gemeinsame Fahrdienste. Insbesondere mit Blick auf die alternde Gesellschaft werde verstärkt das Modell private-to-private-car sharing unterstützt. So entstünden neue Märkte, erläuterte Prof. Rammler und nannte das Fahrdienstunternehmen Uber als Beispiel, welches eine Vermittlungsfunktion zwischen Privatleuten einnehme. Das künftige Problem sei jedoch die hybride Verkehrssituation, für die Übergangsszenarien entwickelt werden müssen. Der Grünen-Abgeordnete Janecek merkte ergänzend das noch ungelöste Problem an, dass viele Berufsfelder automatisiert und somit ersetzt werden.

Sicherheit durch Vernetzung

Auf dem zweiten Panel mit dem Titel „Welche Potenziale gibt es, durch vernetzte Mobilität die Verkehrssicherheit zu verbessern?“ wurde die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer diskutiert. Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, betonte die Gefahr für die Verkehrssicherheit durch eine Ablenkung des Fahrers, die durch das Angebot komplexer digitaler Dienste während der Fahrt entstünden und den Fahrer überforderten. Hinzu komme das Problem der Risikokompensation: Sobald ein neues Sicherheitssystem eingebaut werde, könnten einige Fahrer forscher fahren, so die Befürchtung.

Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH, erläuterte das eCall-System, welches genaue Informationen über einen Unfall an die Rettungsstelle weitergibt. Vor diesem Hintergrund bekräftigte er, dass diese Technik die Verkehrssicherheit fördere. Zudem erklärte er das Prinzip der automatisierten Fahrfunktionen, welche mit dem Publikum lebhaft diskutiert wurden. Durch vernetzte Systeme können mehrere Autos im Rahmen einer sogenannten elektronischen Deichsel fahren und dadurch Benzin sparen. Außerdem forderte Bönninger von der Politik Planungssicherheit für die Fahrzeughersteller. Gleichzeitig müssten die Verbraucher den neuen Funktionen und Systemen vertrauen, sonst würden keine Fahrzeuge verkauft, betonte er. Daher sollten Datensicherheit und Datenschutz Qualitätsmerkmale sein.

Zeitplan auf EU-Ebene

Professor Klaus Kompass, Leiter Fahrerassistenz-Projekthaus der BMW Group und Honorarprofessor an der TU Berlin, hält das eCall-System und den europäischen Notruf ebenfalls für sehr sinnvoll. Darüber hinaus forderte er politische und gesetzliche Rahmenbedingungen für hochautomatisiertes Fahren, da er in dieser Hinsicht noch einige offene Fragen sehe. Andreas Krüger, Beauftragter für Informations- und Kommunikationstechnik des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, gab Auskunft über den Zeitplan der Verordnung, die derzeit in der EU verhandelt wird. Bis Oktober 2017 sollen die Rettungsstellen eingerichtet sein, um Notrufe entgegenzunehmen. Momentan diskutiert werde eine Umstellungsfrist von 36 Monaten für die Hersteller zur entsprechenden Aufrüstung der Autos.

Schutz für persönliche Daten gefordert

Die Teilnehmer des dritten Panels, moderiert von der Bundestagsabgeordneten Renate Künast, beschäftigten sich näher mit dem Thema Datenschutz. Der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, erklärte seine kritische Haltung gegenüber der neuen Datensammlung in Fahrzeugen. Als Beispiel nannte er Versicherungen, die auf diese Daten zugreifen und ihre Tarife entsprechend anpassen wollten. Zudem werden Standarddaten in großem Umfang erfasst, aus dem sehr präzise Bewegungsprofile erstellt werden können, beklagte er. Dies wiederum betreffe Grundrechte und Persönlichkeitsrechte. Es müsse präzise festgelegt werden, wer verantwortlich für die Datenverarbeitung sei. Seiner Meinung nach könne dies nicht der Kunde bzw. der Fahrer sein, sondern eher der Hersteller.

Zusätzlich forderte er Transparenz in der Datenverarbeitung, sodass der Fahrer stets wisse, welche Daten während der Fahrt generiert und übermittelt werden. Hier sieht Weichert noch sehr viel Regelungsbedarf. Die europäische Datenschutzgrundverordnung regele immerhin einige Aspekte, doch offen sei etwa die Frage, ob eine Auswertung von Unfalldaten durch die Polizei erlaubt werden dürfe. Ein künftiges Problem sei auch, dass die Kontrolle über die Daten nicht mehr durch den Halter des Fahrzeugs möglich sei, sondern nur noch durch IT-Firmen wie Google. Im geplanten IT-Sicherheitsgesetz, dessen Referentenentwurf vorliegt, sei der Datenschutz nicht ausreichend bedacht.

Dr. Joachim Rieß, Konzernbeauftragter für Datenschutz der Daimler AG, forderte Transparenz für den Fahrzeugnutzer und Selbstbestimmtheit über die Daten. Zudem müssten die Sicherheit der Daten gewährleistet und Manipulationen möglichst ausgeschlossen werden. Weiterhin mahnte er, dass aggregierte Daten, die vom Fahrzeug erhoben und verarbeitet werden, personenbeziehbar sein können. Hinzu kämen zusätzliche Daten, die der Nutzer etwa über Assistenzsysteme und Entertainmentangebote selbst in das System einspeist. Daher sei die Funktionstrennung der Daten ein wichtiges Prinzip.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlichen Monitoringdienstes für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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