Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Bundesdaten-schutzbeauftragten

Veröffentlicht am 08.09.2014

Die derzeitige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, ist ebenso wie ihre Vorgänger in ihrem Amt dem Bundesinnenministerium unterstellt. Laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Amtsträgerin in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben völlig unabhängig. Jedoch befand der Europäische Gerichtshof in mehreren Urteilen, u.a. in den Jahren 2010 und 2012, dass das BDSG nicht mit europarechtlichen Vorschriften vereinbar sei. Dabei bezogen sich die Urteile insbesondere auf Formulierungen im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Unabhängigkeit der datenschutzrechtlichen Kontrollstellen. Eine funktionelle Unabhängigkeit reiche nicht aus, um die Kontrollstelle „vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren“, hieß es.

Neuerungen im Gesetzentwurf

Mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, den das Bundeskabinett am Mittwoch, 27. August 2014, verabschiedet hat, sollen diese Anforderungen an EU-Recht angepasst und die Datenschutzaufsicht auf Bundesebene gestärkt werden. Demnach ist vorgesehen, die Bundesbeauftragte in eine eigenständige oberste Bundesbehörde zu überführen. Dies bedeutet, dass das Amt künftig nur noch unter parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle steht und nicht länger dem BMI unterstellt ist. Damit steht die Bundesbeauftragte auf einer ähnlichen Stufe wie der Bundesrechnungshof und der Vorstand der Deutschen Bundesband. Darüber hinaus wird ihr und ihren Beschäftigten die Unabhängigkeit nun auch formal bescheinigt, indem die Aufsichtsmöglichkeit der Bundesregierung bzw. des Bundesinnenministeriums formal abgeschafft wird – allerdings findet in der Praxis bereits jetzt schon keine Dienst- oder Rechtsaufsicht statt. Dazu gehört auch ein eigener Einzelplan im Bundeshaushalt. Die oder der zukünftige Bundesbeauftragte wird vom Deutschen Bundestag gewählt und soll den Amtseid vor dem Bundespräsidenten leisten. Der Sitz der Behörde bleibt weiterhin in Bonn.

 

Kritik von Datenschützern

Der ehemalige, langjährige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar merkte einige kritische Punkte im Gesetzentwurf an. Zum einen bemängelt er, dass die Bundesregierung weiterhin das exklusive Vorschlagsrecht des Beauftragten inne hält, sodass keine Kandidaten vom Parlament vorgeschlagen werden können. Darüber hinaus hält er die Festlegung auf den Dienstsitz in Bonn für eine politische Botschaft, die Beauftragte von den Entscheidungen des Bundestages in Berlin fernzuhalten. Zudem habe die Beauftragte noch immer keine Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen der Post- und Telekommunikationswirtschaft, die ihrer Datenschutzaufsicht unterliegen, kritisiert Schaar. Weiterhin merkt er an, die Umstrukturierung mit eigener Personalverwaltung und Haushaltsbewirtschaftung führe zu erheblichem Mehraufwand, der durch nur vier zusätzliche Personalstellen kaum zu decken sei. Schaar sieht darin einen geringen Stellenwert des Amtes, insbesondere da laut Entwurf des IT-Sicherheitsgesetzes die Sicherheitsbehörden fast 500 neue Stellen erhalten sollen. Besonders fatal hält er außerdem die Regelungen der Zeugenvernehmung. Im Fall laufender oder abgeschlossener Vorgänge soll die Bundesbeauftragte nur im Einvernehmen mit der Bundesregierung aussagen dürfen.

Den grundsätzlichen Ansatz der Struktur kritisieren Mitglieder des Digitale Gesellschaft e.V. und fordern eine Loslösung der Abteilung „BSI für Bürger“ im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die für die Sicherheit von Bürgern und kleinen und mittelständischen Unternehmen verantwortlich ist. Diese Abteilung sollte der Behörde der Bundesdatenschutzbeauftragten eingegliedert werden, um eine Trennung in der Verwaltung zwischen der IT-Sicherheit und der Strafverfolgung herzustellen. Ähnliches gelte für den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz, deren Agenda hinsichtlich der Verantwortung für die Sicherheit technischer Systeme unklar sei.

Stimmen zu dem Thema:

Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion
Am 6. April 2011 hat die Europäische Kommission die Bundesregierung mit einem Brief aufgefordert, binnen zwei Monaten die nach dem EuGH-Urteil erforderliche Reform der Datenschutzaufsicht in Deutschland zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund war der heutige Kabinettsbeschluss lange überfällig. Bereits im Juni 2011 hatten wir die Bundesregierung als Grüne Bundestagsfraktion mit einem eigenen Antrag aufgefordert, so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die völlige Unabhängigkeit des/der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit garantiert.(netzpolitik.org, 27.08.2014)

Peter Schaar, ehemaliger Bundesdatenschutzbeauftragter
Nicht nur dieses gesetzgeberische Minimalprogramm, sondern auch die unzureichende materielle Ausstattung der neuen obersten Bundesbehörde machen deutlich, welchen Stellenwert die Bundesregierung dem Datenschutz wirklich zumisst. (…) Es ist zu hoffen, dass der deutsche Bundestag den völlig unterambitionierten Gesetzentwurf substantiell nachbessert. Allerdings bin ich skeptisch, ob dies angesichts der überwältigenden Mehrheit der Regierungsparteien geschehen wird.(netzpolitik.org, 27.08.2014)

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlichen Monitoringdienstes für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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