Starke Argumente gegen VDS-Gesetz

Veröffentlicht am 22.06.2015

Eine Mehrheit von 124 zu 88 Stimmen bei sieben Enthaltungen bekamen der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und Bundesjustizminister Heiko Maas beim Parteikonvent der SPD am Samstag, 20.06.2015, für den Kompromissantrag des Parteivorstands zur Vorratsdatenspeicherung. Den parteiinternen Kritikern, die in über 100 Anträgen an den Parteikonvent die Forderung gestellt hatten, die Vorratsdatenspeicherung abzulehnen, kam die Parteiführung mit einem Angebot entgegen. Das Gesetz soll nun bis zum Jahr 2018 evaluiert werden. Laut Bundesjustizminister Heiko Maas setze die wissenschaftliche Evaluation auf der statistischen Erhebung auf, die ohnehin im Gesetz vorgesehen sei. Sigmar Gabriel hatte sich bezüglich dieser Klausel vorab mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière kurzgeschlossen, der sein Einverständnis erklärt hatte, wie der Vizekanzler bei der Pressekonferenz am Samstag im Willy-Brandt-Haus erläuterte.

Vorgaben nicht praktikabel

Damit steht nun fest, dass die parlamentarischen Beratungen zum „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (18/5171) das parlamentarische Prozedere ohne weitere Verzögerungen durchlaufen kann. Wegen des Notifizierungsverfahrens bei der EU wird der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf, den das Parlament am 12.06.2015 in erster Lesung debattiert hatte, nicht mehr wie ursprünglich geplant im Juli, sondern erst im September abschließend beraten. Auch die zunächst für den 15.06.2015 vorgesehene öffentliche Anhörung im federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wird erst im September stattfinden.

Unterdessen mehren sich die kritischen Analysen aus unterschiedlichen Fachrichtungen zu dem Gesetzentwurf. Der Branchenverband eco, der in der vergangenen Woche auch zu einem politischen Forum mit Fürsprechern und Kritikern des Gesetzentwurfs eingeladen hatte, weist in seiner aktuellen Stellungnahme noch einmal auf die Hauptprobleme aus Sicht der Telekommunikationsunternehmen hin: Viele der technischen Vorgaben seien demnach für die Praxis nicht handhabbar. Für die Umsetzung der Vorgaben würden den betroffenen Unternehmen „enorme Kosten“ entstehen, für die das Gesetz nahezu keine Entschädigungen vorsehe. Viele Vorschriften zu Speicherung und Sicherung der Daten seien zudem nicht hinreichend klar formuliert. Der Internetwirtschaftsverband, der über 800 Mitgliedsunternehmen vertritt, fordert als Minimallösung ein Entgegenkommen bei ihren Kritikpunkten oder die Ausklammerung der Internetdienste von den Speicherpflichten. Noch lieber wäre dem eco allerdings der generelle Verzicht auf eine Vorratsdatenspeicherung. „Es widerspricht dem Wesen einer demokratischen Gesellschaft, ihre Bürger unter Generalverdacht zu stellen und zu überwachen“, heißt es in der Stellungnahme.

Gesetzentwurf nicht normenklar

Zwei juristische Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages kommen zu dem Ergebnis, dass das Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben in einigen Punkten nicht erfüllt. Der Entwurf halte sich zwar „in weiten Teilen eng an die Vorgaben“ des Bundesverfassungsgerichts, aber die flankierenden Regelungen „etwa zur Datenverwendung, -löschung, -weitergabe“ enthielten eine Reihe von Unklarheiten. Der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, das in seinem Urteil aus dem Jahr 2010 eine „normenklare Vorschrift“ verlangt hatte, sei daher nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Gutachterin weist zudem darauf hin, dass auch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, nach der Betroffene grundsätzlich vor der Datenerhebung von dieser zu unterrichten seien, „nicht richtig“ und „nicht normenklar“ umgesetzt sei. Das Gutachten, das die Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 prüft, kommt zu dem Schluss, dass der Schutz der Berufsgeheimnisträger nicht ausreichend gewährleistet sei und das Gesetz damit den Vorgaben des EuGH „nicht Rechnung“ trage.

Zu einer ähnlichen Auffassung kommt die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, die den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf 31 Seiten analysiert. Sie fordert in ihrer Stellungnahme, dass auf das Speichern von Daten von Berufsgeheimnisträgern grundsätzlich verzichtet werden müsse. Wenn diese Ausnahmen der Speicherung nicht beispielweise durch eine „datenschutzkonform geführte zentrale Liste bei der Bundesnetzagentur“ gewährleistet werden könne, müsse „schlichtweg auf die Maßnahme in Gänze verzichtet werden“, denn dabei handele es sich um eine grundrechtswidrige Maßnahme. Andrea Voßhoff widerspricht außerdem in einigen Punkten der Darstellung von Befürwortern des Gesetzes, mit denen diese für die Einführung der Ermittlungsmaßnahme argumentiert hatten. Nach Ansicht der Bundesdatenschutzbeauftragten führe der „vorliegende Gesetzentwurf nicht zu einer einheitlichen Höchstspeicherfrist für sämtliche Verkehrsdaten“, wie Vertreter der CDU/CSU und auch der Leiter des Unabhängigen Datenschutzzentrums Schleswig-Holstein, Dr. Thilo Weichert, behauptet hatten. Laut Voßhoff sehen die Speichervorgaben lediglich vor, „dass ein zusätzlicher Datenpool geschaffen wird, der ausschließlich zur Auskunftserteilung für Anfragen von Sicherheitsbehörden verwendet wird“. Neben diesen Daten werde es bei den TK-Anbietern weiterhin die Speicherung und Verarbeitung von Verkehrsdaten zu betrieblichen Zwecken geben, wie sie im Telekommunikationsgesetz unter §§ 96 ff vorgesehen ist.

Beeinträchtigung von Grundrechten prüfen

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bemängelt in ihrer Entschließung u.a., dass eine Evaluierung des Gesetzes nicht vorgesehen sei. Neue Maßnahmen mit einem derartigen Eingriffspotential sollten nach einer bestimmten Frist von unabhängiger Seite auf deren Wirksamkeit und die Beeinträchtigung von Grundrechten bewertet werden, finden die Datenschützer. Wegen „der großen grundrechtlichen Bedeutung der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten und wegen der Signalwirkung einer deutschen Regelung für Europa“ plädiert die Konferenz der Datenschutzbeauftragten außerdem dafür, den „Vorschlag der Bundesregierung in einem ergebnisoffenen Verfahren mit umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung“ zu erörtern.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

Die Position der Telefónica Deutschland zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ist hier auf UdL Digital nachzulesen.

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