Wiener Gutachten zur Frequenzverteilung verkennt EU-Vorgaben

Veröffentlicht am 06.05.2011

Wie bereits berichtet hat die Bundesnetzagentur am 25. März 2011 ein Gutachten der Technischen Universität Wien, der SBR Juconomy Consulting AG und SBR Rechtsanwälte (im Folgenden „Wiener Gutachten“) vorgestellt, um eine Entscheidung der Behörde zur möglichen Umverteilung von Mobilfunkfrequenzen im Bereich 900-MHz vorzubereiten.

Die E-Plus Gruppe hat nun zu dem Wiener Gutachten eine Stellungnahme erarbeitet und in das Verfahren bei der Bundesnetzagentur eingebracht. Zur wissenschaftlichen Untermauerung hat  E-Plus zudem die im Wiener Gutachten adressierten Fragestellungen durch Prof. Torsten Gerpott (ökonomisch) und Prof. Bernd Holznagel (juristisch) untersuchen lassen. Beide hatten sich bereits 2010 dezidiert mit der EU-GSM-Richtlinie und der Frage einer Umverteilung der 900-MHz-Frequenzen unter den deutschen Mobilfunkbetreibern befasst.

Nunmehr haben die beiden TK-Experten in ihren ökonomischen und juristischen Sondergutachten nochmals intensiv mit den Thesen des Wiener Gutachtens auseinandergesetzt. Holznagel und Gerpott zeigen auf, dass die Ergebnisse des Gutachtens aus Wien, wonach keine Wettbewerbsverzerrung bei den Frequenzen für Mobiles Internet vorliege, methodisch unsauber und im Ergebnis nicht haltbar sind.

Schon im Ansatz verkennt das Wiener Gutachten völlig die europäischen Vorgaben. Denn laut der geänderten GSM-Richtlinie bezieht sich die Frage einer möglichen Umverteilung von Frequenzen allein auf das 900 MHz-Band und nicht wie im Gutachten angenommen auf eine Reihe anderer Frequenzbänder, wie beispielsweise das 1800 MHz-Band oder die erst kürzlich versteigerte Digitale Dividende im Bereich 800 MHz.

Foto: E-Plus-Gruppe
Professor Holznagel stellt dazu fest: „(Ferner) ist im Rahmen der Frequenzverteilungsuntersuchung ausschließlich auf die möglichen Wettbewerbsverzerrungen im 900 MHz-Band abzustellen. Eine Einbeziehung des 800 und 1800 MHz-Bands widerspricht den Vorgaben der geänderten GSM-Richtlinie.“

Im Wiener Gutachten wird ferner unterstellt, dass keiner der deutschen Mobilfunknetzbetreiber das 900 MHz-Band flexibilisieren möchte, um ein mobiles Breitbandnetz aufzubauen. Diese Annahme ist bereits tatsächlich unrichtig. So hat E-Plus einen – öffentlich bekannten und positiv beschiedenen – Antrag auf Flexibilisierung des 900 MHz-Bands gestellt, um mit Hilfe dieser Frequenzen das eigene mobile Breitbandnetz ausbauen zu können.

Bei der Beantwortung der Hauptfrage, ob aufgrund der unterschiedlichen Frequenzzuteilungen objektive ökonomisch-frequenztechnische Nachteile für einzelne Mobilfunknetzbetreiber bestehen, legt das Wiener Gutachten dann eine Kombination von Frequenz- und Netzkosten zu Grunde, um etwaige Nachteile zu ermitteln.

Prof. Gerpott
Prof. Gerpott, Foto: E-Plus Gruppe
Dies ist jedoch, wie Professor Gerpott aufzeigt, widersinnig: So wird zwar eingeräumt, dass E-Plus Kostennachteile beim Netzausbau hat, weil es über weniger Flächenspektrum verfügt, als die anderen Netzbetreiber. Folgt man der Argumentation des Wiener Gutachtens, so werden diese Kostennachteile aber durch die hohen Frequenzkosten der Mitbewerber im 800 MHz-Spektrum ausgeglichen. Dabei übersieht das Gutachten, dass diese allein deswegen hoch sind, weil E-Plus – wenn auch ohne Erfolg –sich sehr ernsthaft darum bemüht hat, 800 MHz Frequenzen zu ersteigern. Hätte E-Plus bei 800 MHz dagegen nicht mitgesteigert, wären die Frequenzkosten niedrig und dann könnte E-Plus – nach der Logik des Wiener Gutachtens – einen Wettbewerbsnachteil und mithin eine Umverteilung reklamieren. Zur Zeit der Frequenzversteigerung war jedoch diese Logik des Wiener Gutachtens „weder bekannt noch sicher vorhersehbar, so dass E-Plus sich nicht entsprechend in seinem Bietverhalten darauf einstellen konnte“, erklärt Professor Gerpott.

Eine Vielzahl weiterer unvollständiger Sachverhaltserfassungen, nicht haltbarer Annahmen sowie nicht nachvollziehbarer bzw. falscher Schlussfolgerungen im Wiener Gutachten sind in der nun der Bundesnetzagentur vorgelegten E-Plus-Stellungnahme detailliert aufgeführt.

Insgesamt ist fest zu stellen, dass das Wiener Gutachten gänzlich ungeeignet ist, eine rechtskonforme Umsetzung der geänderten GSM-Richtlinie in Deutschland zu unterstützen.

Hingegen hat Professor Holznagel bereits im letzten Jahr aufgezeigt, dass es geeignete Rechtsgrundlagen gibt, um die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen im Mobilfunkmarkt durch eine Umverteilung der 900 MHz-Frequenzen zu beheben.

Es sollte daher nun sofort von Amts wegen eine Umverteilung der 900 MHz-Frequenzen erfolgen, damit allen Mobilfunknetzbetreibern möglichst kurzfristig die Möglichkeit zum Refarming im 900 MHz-Band eingeräumt werden kann.

Denn erst wenn neben dem 800 MHz-Band auch das 900 MHz-Band in Wettbewerbs fördernder Weise für den mobilen Breitbandausbau nutzbar gemacht worden ist, wird die derzeitige Bremse beim mobilen Breitbandausbau gelöst werden und sich eine deutsche Vorreiterrolle in der europäischen Breitbandpolitik glaubhaft proklamieren lassen.

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