5G: Frequenzen versteigert, Koalition will eigene Masten bauen lassen

Foto: Telefónica
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Veröffentlicht am 18.06.2019

420 MHz für 6,55 Milliarden Euro – das ist, in aller Kürze, das Ergebnis der bisher längsten Frequenzauktion in Deutschland, die nach 52 Tagen und 497 Auktionsrunden am Mittwoch, 12. Juni, zu Ende ging. Und schon wenige Tage nach dem Ende der Versteigerung der zukünftigen 5G-Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) werden neue Mobilfunk-Pläne laut: Die Regierungsfraktionen wollen mit einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft eigene Masten bauen und planen höhere Strafen für Ausbau-Verzögerungen. Derweil sprechen Netzbetreiber wie Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter angesichts der hohen Auktionssumme von einem „Desaster für Deutschland“.

Längste Frequenzauktion Deutschlands

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Drei etablierte Provider und ein Neueinsteiger – die Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica und 1&1 Drillisch – bezahlten für die 41 5G-Frequenzblöcke insgesamt 6,55 Milliarden Euro. Fachleute hatten vor Beginn der Auktion mit deutlich niedrigeren Erlösen zwischen drei und fünf Milliarden Euro gerechnet. Nicht einberechnet hatten die Mobilfunk-Experten anscheinend die Ausdauer des Neueinsteigers 1&1 Drillisch – dieser ließ sich, trotz mehrerer Angriffe durch die drei etablierten Netzbetreiber, nicht aus der Auktion drängen. Im Gegenteil: Mit 497 Runden und mehr als zwölf Wochen war es die längste Frequenzauktion, die jemals in Deutschland stattfand.

Die Auktion kam zum Ende, weil 1&1 Drillisch auf den letzten umkämpften Frequenzblock verzichtete. Seit Wochen hatten die Netzbetreiber im Prinzip nur noch um dieses Stück im 3,6-GHz-Bereich gefeilscht. Im 2-Ghz-Bereich dagegen hatten sich die Unternehmen längst auf die Verteilung der Blöcke geeinigt. Schon in Runde 191 war die Verteilung der Frequenzen mit dem jetzigen Endergebnis identisch. Hätte Drillisch zu diesem Zeitpunkt auf weitere Gebote verzichtet, hätten alle vier Bieter gemeinsam über 1,2 Milliarden Euro gespart. Doch der Herausforderer bot in Runde 192 erneut auf einen Block der Konkurrenz und sorgte so für den Fortgang des Bieterkampfes.

Mit Hilfe der ersteigerten Frequenzen kann der Neueinsteiger in Zukunft ein eigenes Mobilfunknetz betreiben. Bisher hatte die Tochterfirma des rheinland-pfälzischen Konzerns United Internet kein eigenes Netz, stattdessen nutzte sie die Antennen der Konkurrenz. Nun wird es nach dem Ende von E-Plus erstmals wieder einen eigenständigen vierten Netzanbieter in Deutschland geben.

Am meisten zahlt für Frequenzen im Ergebnis die Deutsche Telekom, nämlich rund 2,17 Milliarden Euro. Vodafone zahlt 1,88 Milliarden Euro und Telefónica 1,42 Milliarden Euro. Drillisch muss 1,07 Milliarden Euro an die Bundesnetzagentur (BNetzA) überweisen. Für die Bezahlung haben die Frequenzbesitzer laut Auktionsregeln nun genau 65 Bankarbeitstage Zeit. Das Geld soll vollständig ins Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ fließen. 70 Prozent davon kommt dem Gigabitnetzausbau zugute, 30 Prozent dem Digitalpakt Schule.

Reaktionen von Betreibern und Opposition

Während Bundesnetzagentur und Bunderegierung sich zufrieden mit dem Ergebnis und stärkerem Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt zeigten, warnten Netzbetreiber vor einem Bumerang-Effekt der hohen Auktionserlöse. So würden die 6,6 Milliarden Euro, die die Telekommunikationsunternehmen für die Lizenzen zahlen müssen, bei den Investitionen in das deutsche Mobilfunknetz fehlen. Bitkom-Präsident Achim Berg erklärte dazu:

„Allein mit dem Geld für die Frequenzen hätten die Netzbetreiber mehr als 32.000 neue Mobilfunkmasten errichten können.“

Der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, wies die Kritik am Auktionsdesign zurück, über die unter anderem das „Handelsblatt“ berichtet hatte:

„Die erfolgreiche Teilnahme des Neueinsteigers Drillisch zeigt, dass das Auktionsformat geeignet ist, den Wettbewerb zu fördern.“

Problematisch für den Mobilfunkausbau seien aber nicht nur die hohen Kosten der Auktion, sagte Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner der dpa:

„Wir haben erhebliche Probleme, die passenden Standorte für 4G und 5G anzumieten und zu errichten.“

Auf kommunaler Ebene gebe es erhebliche Widerstände – so würden vielerorts neue Antennen aus ästhetischen Gründen abgelehnt. Behörden seien zum Teil unterbesetzt und Genehmigungsverfahren für neue Masten zögen sich hin. In Deutschland dauere es im Schnitt 18 Monate, bis eine neue Station stehe.

„Das dauert viel zu lang, in Südkorea sind es nur drei Monate.“

Solche Hemmnisse stünden im Widerspruch zu dem Ziel, dass es keine Funklöcher mehr geben dürfe, sagte Wössner.

Auch bei der FDP hinterlasse das Auktionsergebnis einen „faden Beigeschmack“, denn die Milliarden fehlten dem Mobilfunkmarkt nun zum Netzausbau, kritisierte FDP-Fraktionsvize Frank Sitta. Die Grünen sehen die Milliardensumme ebenfalls kritisch, wenn auch aus anderen Gründen:

„Die hohen Versteigerungserlöse zeigen, dass die Auflagen für den Aufbau des 5G-Netzes zu niedrig waren. So wird es weiterhin kein flächendeckendes Mobilfunknetz in Deutschland geben“,

sagte die Sprecherin der Fraktion für Wettbewerbspolitik, Katharina Dröge.

Die Versorgungsauflagen der Versteigerung sehen unter anderem vor, dass die etablierten Netzanbieter bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland mit mindestens 100 Mbit/s erreichen müssen und 1.000 5G-Basisstationen sowie 500 Basisstationen mit mindestens 100 Mbit/s in bisher unversorgten „weißen Flecken“ in Betrieb nehmen. Weitere Schwerpunkte liegen auf Autobahnen, Bundes- und Landstraßen, Schienenwegen und Wasserstraßen. Für 1&1 Drillisch als Neueinsteiger gelten abweichende Auflagen.

Zahlreiche Wirtschaftsverbände fordern nach der Auktion der bundesweiten 5G-Frequenzen nun eine rasche Veröffentlichung der Vergabebedingungen für die lokalen Frequenzen.

„Die lokale Nutzung von Frequenzen ist für die deutsche Industrie kein Geschäftsmodell, sondern Voraussetzung, um Leitmarkt und Leitanbieter für industrielle 5G-Anwendungen werden zu können“,

erklären etwa der Verband der Chemischen Industrie (VCI), der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sowie der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in einer gemeinsamen Erklärung.

Koalition plant neue Ausbau-Vorschriften

Zusätzlich zu den Versorgungsauflagen drückt die Regierungskoalition beim Mobilfunkausbau nun weiter aufs Tempo. Die Klausur der Fraktionsspitzen verabschiedete am Freitag, 14. Juni, eine „Zukunftsoffensive für eine starke Mobilfunkinfrastruktur in allen Regionen“. Noch in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause sollen Teile davon durchs Parlament, sagte eine Sprecherin der SPD-Fraktion am Freitag.

In vier Schritten wollen Union und SPD mit der „Zukunftsoffensive“ den Mobilfunkausbau in Deutschland voranbringen. So planen sie, (1) mit einer bundeseigenen Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft Mobilfunkmasten zu bauen, (2) detaillierte Informationen zur Netzabdeckung öffentlich bereitzustellen, (3) höhere Geldstrafen für Ausbau-Verzögerungen einzuführen sowie (4) im Herbst 2019 neue Regeln zu Infrastruktur-Sharing und lokalem Roaming zu verabschieden.

Bund soll Sendemasten bauen

Bereits Mitte März (TPM 2019.13) hatten die Fraktionen unabhängig voneinander Vorschläge für einen staatlichen Mobilfunkausbau vorgelegt, die CSU-Landesgruppe hatte bereits auf ihrer Neujahrs-Klausur im Januar einen entsprechenden Vorschlag gemacht (TPM 2019.03). Das gemeinsame Konzept der Fraktionsspitzen sieht nun vor, auf Bundesebene eine eigene Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) zu gründen, um selbst Mobilfunkmasten zu errichten. Dabei soll diese sich „ausschließlich auf die Beseitigung weißer Flecken [konzentrieren] – das heißt auf Regionen, in denen kein Netz verfügbar ist und kein Mobilfunkanbieter einen eigenwirtschaftlichen Ausbau vornehmen wird“, heißt es im Beschluss.

Um Verzögerungen zu vermeiden, plant die Zukunftsoffensive, die neuen Masten vor allem auf Grundstücken der öffentlichen Hand zu errichten. Demnach ist vorgesehen, dass die MIG private Unternehmen mit der Errichtung beauftragt und der Staat Eigentümer der Anlagen bleibt. Der Bund soll alleiniger Gesellschafter der MIG werden, die als gGmbH zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gehören soll. Sie ist als Teil der „Gesamtstrategie Mobilfunk“ geplant, die das BMVI derzeit ausarbeitet. Die entsprechenden Gelder sind laut Papier für den Haushalt 2020 vorgesehen.

Mehr Transparenz und höhere Strafen

Um einen besseren Überblick über den Stand des Mobilfunkausbaus zu erhalten, planen die Fraktionen außerdem regelmäßige „Netzzustandsanalysen“. Diese sollen sowohl der öffentlichen Planung dienen als auch „in Form von nutzerfreundlichen Karten im Internet veröffentlich[t]“ werden:

„So kann sich der Endkunde vor der Wahl seines Netzbetreibers informieren, welche Qualität die einzelnen Netze in seiner Region haben.“

Entsprechende Informationspflichten sind auch für die Mobilfunknetzbetreiber vorgesehen. Diese müssen außerdem ihren geplanten Netzausbau der kommenden ein bis zwei Jahre dem Bund melden, heißt es im Papier. „Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen werden dabei gewahrt.“

Die für mehr Transparenz nötigen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sollen noch in der letzten Juniwoche vor der Sommerpause durchs Parlament – auch schärfere Sanktionsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur (BNetzA) bei Ausbau-Verzögerungen sollen bei dieser Gelegenheit im TKG verankert werden. Nach Informationen des „Handelsblatt“ sollen Strafen statt bisher 100.000 Euro dann bis zu einer Million Euro oder zwei Prozent des Jahresumsatzes betragen, Zwangsgelder auf bis zu zehn Millionen Euro steigen. Einer Sprecherin der SPD-Fraktion zufolge sind hierzu zwei Änderungsanträge für das 5. TKG-Änderungsgesetz vorgesehen. Das befindet sich bereits seit Sommer 2018 im parlamentarischen Prozess und betraf in seiner ursprünglichen Version Mitverlegepflichten beim Glasfaser-Ausbau.

Regeln für lokales Roaming im Herbst

Für Herbst 2019 erwartet der Koalitions-Beschluss dann die umfassende Mobilfunkstrategie des BMVI sowie einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des sogenannten „Europäischen Kodex für elektronische Kommunikation“ („European Electronic Communications Code“, EECC). Diese Richtlinie der Europäischen Union (EU) beinhaltet unter anderem Regeln zu aktivem und passivem Infrastruktursharing sowie möglichen Verpflichtungen zu lokalem Roaming der Netzbetreiber durch die BNetzA. Bis Dezember 2020 haben die EU-Mitgliedsstaaten noch Zeit, den EECC in nationales Recht umzusetzen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Torben Klausa schreibt als Redakteur zur Digitalpolitik.

 

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