5G Frequenzvergabe: Risikofaktor für den Netzausbau in Deutschland

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Veröffentlicht am 22.11.2018
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Nach einer intensiven, über ein Jahr andauernden und beispiellos politisch sowie öffentlich ausgetragenen Debatte über die Bereitstellung von Frequenznutzungsrechten in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) am 16. November 2018 ihren Entscheidungsentwurf der Vergabebedingungen vorgelegt. Aus Sicht von Telefónica Deutschland müssen dringend deutliche Verbesserungen am vorgelegten Entscheidungsentwurf erfolgen. Damit Deutschland die angestrebte Führungsrolle beim 5G-Ausbau einnehmen kann, müssen Rechts- und Planungssicherheit für die Mobilfunknetzbetreiber, die seit Jahrzehnten in Deutschlands Mobilfunkinfrastruktur investieren und in den vergangenen 20 Jahren annähernd 60 Milliarden Euro für Frequenznutzungsrechte aufbringen mussten, höchste Priorität haben. Die nun vorgelegte Entscheidung entbehrt an vielen Stellen ökonomischer Vernunft und ist rechtlich nicht tragbar.

Versorgungsauflagen sind unverhältnismäßig und zeitlich nicht umsetzbar

In Folge massiven politischen Drucks hat die BNetzA die Versorgungsauflagen im Vergleich zu ihrem Konsultationsentwurf im September erheblich verschärft und damit in diesem Verfahren ihre Stellung als unabhängige Behörde aufgegeben. Schon die im Konsultationsentwurf skizzierten Auflagen bezeichnete der Präsident der Netzagentur als die

                „Grenze des wirtschaftlich Zumutbaren und rechtlich Möglichen1.“

Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass die nun im Entscheidungsentwurf vom 16. November 2018 enthaltenen, erheblich verschärften Auflagen unverhältnismäßig und rechtlich angreifbar sind. Dies ist allein schon deswegen der Fall, weil in dem aktuellen Vergabeverfahren Kapazitätsspektrum vergeben wird, welches für die Versorgung von größeren Flächen aufgrund der geringen Sendereichweite mit einem Radius von 300 bis 500 Metern überhaupt nicht geeignet ist. Die nun geplante Versorgung von Haushalten, Straßen, Schienen- und Wasserwegen ist faktisch eine Art Flächenversorgung, die sogar deutlich über bisherige Auflagen für das Flächenspektrum hinausgeht. Dies steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsauffassung der Behörde.

Diese Versorgungsverpflichtungen sind mit dem nun bereitstehenden Spektrum nicht erfüllbar, weswegen die BNetzA selbst darauf hinweist, dass die Auflagen nur durch Rückgriff auf die vorhandenen Frequenzen erreicht werden können. Vor einer solchen rechtswidrigen Rückwirkung hatte die BNetzA bisher gegenüber ihrem Beirat immer gewarnt. Die Behörde hielt bisher eine Rückwirkung für gegeben, wenn neue Auflagen

„Auswirkungen auf bereits bestehende und bestandsgeschützte Frequenznutzungsrechte haben, die in früheren Vergabeverfahren erworben wurden.2

Darüber hinaus ist die nachträgliche Entwertung von 2010 und 2015 getätigten Investitionen in Frequenznutzungsrechte ein beispielloser Angriff auf die Planungssicherheit von Unternehmen, die jährlich Milliarden an privaten Investitionsmitteln in Deutschlands digitale Infrastruktur stecken und an die wirtschaftliche und rechtliche Stabilität Deutschlands glauben.

Hinzu kommt, dass die von der BNetzA avisierten Auflagen für Haushalte, Bundesautobahnen und einen Teil der Bundesstraßen in dem extrem kurzen Zeitraum zwischen 2020 und 2022 faktisch nicht erfüllbar sein werden. Netzplanung, Akquise neuer Flächen für den Aufbau von Mobilfunkstandorten, erforderliche Genehmigungen für Bau und Betrieb sowie die Errichtung von Standorten und Sendeanlagen sind in der kurzen Zeit allein in Anbetracht der hohen Zahl erforderlicher Baumaßnahmen und der begrenzten Bauressourcen in Deutschland nicht realisierbar. Die BNetzA und die Politik nehmen daher von Anfang an in Kauf, eine Auflage zu definieren, die nicht erreichbar ist. Ähnlich wie bei der gescheiterten Breitbandstrategie bisheriger Bundesregierungen, deren 50 Mbit/s-Ziel bis Ende 2018 nicht erreicht wird, werden diese Auflagen zu einem Reputationsschaden für die Infrastruktur- und Digitalpolitik Deutschlands führen. Die Versorgungsauflagen sollten daher dringend revidiert und unterhalb der im Konsultationsentwurf diskutierten Versorgungsauflagen festgesetzt werden.

Eine National Roaming-Verpflichtung wäre ebenfalls rechtswidrig

Seitens eines Marktteilnehmers und Teilen der Politik wurden zuletzt verstärkt Forderungen nach einer National Roaming-Verpflichtung erhoben, da es nach dem Zusammenschluss von Telefónica und EPlus angeblich ein Wettbewerbsproblem auf dem deutschen Mobilfunkmarkt gäbe.

Die BNetzA hat in ihrem letzten Jahresbericht jedoch selbst festgestellt, dass nach dem Zusammenschluss von Telefónica und EPlus keine Beeinträchtigung der Wettbewerbsintensität auf dem deutschen Mobilfunkmarkt festgestellt werden kann. Die Markterhebungen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Mobilfunk-Endkundenpreise in Deutschland seit 2010 um 15,6 % gesunken sind, während der Verbraucherpreisindex im selben Zeitraum um 12,1 % gestiegen ist. Auch seit der Fusion von Telefónica und EPlus sind die Mobilfunkpreise weiterhin kontinuierlich gesunken3.

Es besteht daher keine ordnungspolitische Notwendigkeit, über eine National Roaming-Verpflichtung nachzudenken. Rechtlich dürfte eine solche National Roaming-Verpflichtung sowohl nach geltendem Recht als auch nach dem zukünftigen EU-Rechtsrahmen auch nur bei Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung auf einem regulierungsbedürften Markt auferlegt werden. Aufgrund des intensiven Wettbewerbs auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ist eine solche marktbeherrschende Stellung jedoch richtigerweise weder von der Bundesnetzagentur, noch vom Bundeskartellamt festgestellt worden.

Zu Gunsten der als möglicher Neueinsteiger gehandelten United Internet Gruppe ist eine solche Verpflichtung auch überhaupt nicht erforderlich, da United Internet über die Fusionskontrollauflagen aus dem Telefónica-EPlus-Zusammenschluss National Roaming auf dem Telefónica-Netz in Anspruch nehmen kann. Die United Internet kann neben diesem bereits bestehenden National Roaming-Anspruch auch Frequenznutzungsrechte zu günstigen Preisen sowie ein Passive Site Sharing von Telefónica verlangen.

Markteintrittshilfe für Neueinsteiger wird Ambition nach besserer Netzversorgung nicht gerecht

Vor dem Hintergrund der von Politik und Netzagentur forcierten Ausweitung von Versorgungsverpflichtungen ist es nicht nachvollziehbar, warum gerade für Neueinsteiger die Auflagen im Vergleich zum Konsultationsentwurf nicht deutlicher verschärft wurden. Die BNetzA befindet sich auf dem Holzweg, wenn sie erklärt, dass durch einen Neueinsteiger „langfristig eine weitere hochleistungsfähige Breitbandinfrastruktur zur Verfügung stehen4“ würde. Ein Neueinsteiger müsste zwangläufig zunächst in lukrativen Ballungsräumen sein Netz ausbauen, um möglichst viele Kunden zu gewinnen. Dem Netzausbau in ländlichen Regionen oder gar dem flächendeckenden Netzausbau in Deutschland ist damit in keiner Weise geholfen. Um das Rosinenpicken eines Neueinsteigers zu verhindern, der sein Netz nur in einigen Städten ausbaut und nichts für eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Mobilfunk tut, müssen die Auflagen für Neueinsteiger erheblich erhöht werden. Entsprechend den Vorgaben in vergangenen Auktionen und entsprechend den Erwägungen im BNetzA-Konsultationsentwurf vom 17.9.2018 sollte ein 5G-Neueinsteiger daher bis spätestens 2025 zumindest 50% der Bevölkerung (und nicht – wie im Entscheidungsentwurf vorgesehen – lediglich 25 %) der Bevölkerung versorgen. Ansonsten würden die mit radikal verschärften Versorgungsauflagen konfrontierten etablierten Mobilfunknetzbetreiber gegenüber einem Neueinsteiger deutlich benachteiligt, was zu erheblichen regulierungsbedingten Marktverwerfungen führen kann.

1) BNetzA Pressemeldung vom 17.09.2018

2) BNetzA Konsultationsentwurf der Vergaberegeln vom 17.09.2018, S. 2

3) In diesem Zusammenhang ist unbestritten, dass sich die Mobilfunkendkundenpreise in Deutschland von den Preisen in anderen Ländern unterscheiden. Dies liegt jedoch nicht an einem Wettbewerbsproblem im deutschen Mobilfunkmarkt, sondern daran, dass die Mobilfunknetzbetreiber während der vergangenen 20 Jahre in Auktionen allein ca. 60 Mrd. € für Frequenznutzungsrechte bezahlen mussten, und dass der Aufbau eines Mobilfunknetzes in einem wirtschaftlich hoch entwickelten und dezentral strukturierten Flächenland wie Deutschland sehr teuer ist.

4) BNetzA, aktuelle Entscheidung zur Vergabe, wie am 16.11.2018 dem Beirat vorgelegt, Rn. 590

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