Arbeiten 4.0: DGB und Ministerin Nahles verfolgen ähnliche Ziele

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Pressefoto: BMAS
Veröffentlicht am 13.11.2015

Auf dem DGB-Kongress „Arbeit der Zukunft – Gute Arbeit in digitalen Zeiten: Anforderungen an eine moderne Arbeitspolitik“ am 3. November haben der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die positiven Entwicklungsmöglichkeiten hervorgehoben, die sich der Arbeitswelt durch die Digitalisierung bieten. „Der Wandel ist gestaltbar und – auch politisch – gestaltungsbedürftig. Wir, der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, wollen ihn gestalten. Unser Anspruch an die Arbeit der Zukunft ist allerdings nicht einfach ‚Arbeit 4.0‘, wir wollen „Gute Arbeit 4.0“, sagte der DGB-Chef in seiner Eröffnungsrede. Bundesministerin Andrea Nahles betonte, dass ihrer Ansicht nach zwei Seiten zusammenkommen müssten: „die Politik, die Rahmen setzt und die Vereinbarungen der Sozialpartner“. Sie hoffe, dass die Politik dafür nicht wieder so lange brauche wie beim Mindestlohn, der zehn Jahre Vorlauf gehabt habe.

Gute Arbeit 4.0

Reiner Hoffmann formulierte in seiner Rede fünf Maximen, die dem DGB bei der Entwicklung einer „Guten Arbeit 4.0“ wichtig sind. So müsse „Gute Arbeit 4.0“ Beschäftigung und gute Arbeitsplätze sichern. Mit der dualen Ausbildung, qualifizierter Arbeit und der Sozialpartnerschaft habe Deutschland in dem bevorstehenden tiefgreifenden Strukturwandel ein gutes Potential. „Beteiligung und Qualifizierung“ seien ebenso wichtige Voraussetzungen für den erfolgreichen Wandel wie eine „lernförderliche Arbeitsorganisation“. Es sei wichtig, einen „Rechtsanspruch auf Bildungsteilzeit mit entsprechender öffentlicher Förderung“ einzuführen, so Hoffmann.

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Pressefoto: BMAS

„Gute Arbeit 4.0“ müsse nach Ansicht des DBG-Vorsitzenden außerdem „Zeitsouveränität und mehr Sicherheit für die Beschäftigten“ schaffen. Mobile Arbeit, Home Office und Teilzeitangebote könnten ein Erfolgskonzept werden, wenn es nicht zu versteckten Überstunden und permanenter Erreichbarkeit führe. Bezüglich des von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles angestrebten „neuen Flexibilitätskompromisses“ konstatierte er: „Es gibt […] keinen vernünftigen Grund, das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen, um die tägliche Höchstarbeitszeit anzuheben und im Gegenzug auch noch die Ruhezeiten zu reduzieren […]. Das Arbeitszeitgesetz ist ein Arbeitsschutzgesetz für die Beschäftigten und soll es auch bleiben.“ Die sei auch im Interesse der Arbeitgeber, denn hier gehe es um die Gesundheit und damit die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer. Im Gegenzug stellte er die Forderung, dass im Rahmen des Flexibilitätskompromisses der Rechtsrahmen zugunsten der Sicherheit der Arbeitnehmer erweitert werden müsse: „bei mobiler Arbeit durch ein Rückkehrrecht auf den betrieblichen Arbeitsplatz, ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit bzw. Log Off und ein Rückkehrrecht nach befristeter Teilzeit auf Vollzeit“. Darüber hinaus plädierte er für „faire Spielregeln, sowohl für das digitale Outsourcing als auch für die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen von Plattformen und die soziale Sicherung von Freelancern“ und einen verbesserten Beschäftigtendatenschutz, der verhindere, dass der Arbeitnehmer zum „gläsernen Beschäftigten“ werde.

Beschäftigtendatenschutz ernst nehmen

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles räumte in ihrer Rede auf dem DGB-Kongress ein, dass sie beim Beschäftigtendatenschutz mit der Position des Rates nicht zufrieden ist. Es habe in diesem Punkt auch Auseinandersetzungen in der Bundesregierung gegeben. In dem derzeit laufenden Trilog setze sie darauf, dass über das Europäische Parlament Verbesserungen beim Beschäftigtendatenschutz zu erreichen seien. „Ein Einmauern auf dem jetzigen Niveau ist im Hinblick auf die zunehmenden technischen Möglichkeiten nicht nachvollziehbar“, sagte Nahles. Vertrauen entstehe nicht, wenn jeder Schritt überwacht werde. Wer Vertrauen wolle, müsse Beschäftigtendatenschutz ernst nehmen, forderte die Ministerin und bat die Gewerkschaften bei dem Einsatz für dieses Ziel um „tatkräftige Unterstützung“.

Arbeit 4.0 im Sinne der Menschen zu gestalten, da stimme sie mit dem DGB überein, da sei noch richtig Musik drin, so Andrea Nahles. „Arbeit 4.0 muss sicher sein, Sinn stiften, nicht krank machen und den Beschäftigten die Möglichkeit geben, auf der Höhe der Zeit zu bleiben“, beschrieb die Sozialdemokratin ihre Vorstellungen. Bei ihrer Reise ins Silicon Valley habe sie kürzlich das Prinzip der sogenannten Gig-Arbeitsplätze (Plattform-Arbeitsplätze) kennen gelernt und Arbeitgeber, die keine sein wollen. „Die USA sehen sich als Weltveränderer, aber wir müssen das nicht alles mitmachen.“, betonte Nahles die Gestaltungsmöglichkeiten durch Gesetzgebung und Sozialpartnerschaft. Selbst in Europa werde es als etwas Besonderes angesehen, dass in Deutschland Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Digitalisierung reden. Sie sei sicher, dass man gemeinsam viel hinkriegen und verabreden und den anderen ein Vorbild sein könne. „Aber wenn wir noch lange warten und staunen, was da alles passiert, stehen wir irgendwann auf der falschen Seite des Flusses“, warnte die SPD-Politikerin.

Grünbuch Arbeit 4.0

Die Bundesarbeitsministerin hatte im April ein Grünbuch „Arbeiten 4.0“ vorgelegt, mit dem sie die politische und gesellschaftliche Debatte zur Zukunft der Beschäftigung in digitalen Zeiten anstoßen will. Die Handlungsfelder, um die es bei der Debatte gehen soll, sind im Grünbuch bereits skizziert: die Sicherung der Teilhabe an Arbeit, das Gleichgewicht von Arbeit und Leben, die Durchsetzung gerechter Löhne und den Erhalt sozialer Sicherheit, die Weiterentwicklung von Ausbildung und Weiterbildung, gute Arbeit im Wandel und die Etablierung einer nachhaltigen Unternehmenskultur. Ende des Jahres 2016 will die Ministerin ein Weißbuch mit den zu ergreifenden notwendigen Maßnahmen veröffentlichen. Sie hat bereits angekündigt, die Agentur für Arbeit zu einer Agentur für Arbeit und Qualifizierung weiterentwickeln zu wollen. Arbeitnehmer sollen sich berufsbegleitend auf die neuen Herausforderungen der Digitalisierung vorbereiten können.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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