Die Digitale Agenda der Bundesregierung – Der Entwurf und die Reaktionen

Veröffentlicht am 31.07.2014

Am Mittwoch, den 20. August, soll der endgültige Entwurf der Digitalen Agenda der Bundesregierung im Kabinett vorgelegt und verabschiedet werden. Nachdem ein erster Entwurf mit dem Stand vom 9. Juli mittlerweile verfügbar ist, befinden sich derzeit mehrere überarbeitete Versionen in der Abstimmung zwischen den Ressorts und den entsprechenden Bundesministerien der Wirtschaft, des Inneren und des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Innerhalb der Regierungskoalition sind vor allem die Finanzierungsfragen umstritten, die bereits in der Diskussion um den jüngsten Antrag zum Breitbandausbau für Streitigkeiten zwischen Union und SPD sorgte.

Grundsätzliche Ansätze

Der Entwurf ist in einen Grundsatzteil und einen längeren Programmteil mit sieben Kategorien unterteilt. Im Grundsatzteil erläutert die Bundesregierung die generelle Bedeutsamkeit der Digitalisierung sowie ihre Herausforderungen und Probleme, die es zu lösen gilt. Außerdem geht sie auf die „Werteordnung in der digitalen Welt“ ein. Dabei betont sie u.a., dass kein Gegensatz zwischen „realer“ und „virtueller“ Welt existiere und Daten der „Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ seien. Das Internet sei mittlerweile „eine grundlegende Infrastruktur“. Die Bundesregierung wolle sich dafür einsetzen, durch Öffnung der Datensätze mehr Transparenz staatlichen Handelns zu schaffen. Ferner nennt der Entwurf drei strategische Kernziele:

  • digitale Infrastruktur flächendeckend, hochleistungsfähig und sicher ausbauen
  • beste Voraussetzungen für Leben und Arbeit in der digitalen Welt schaffen und Anreize für nachhaltige Innovationen und Wachstum in der digitalen Wirtschaft setzen
  • beste Voraussetzungen für mehr Medien- und Technologiekompetenz sowie hohes Vertrauen in die Digitalisierung schaffen

Zur Umsetzung der Ziele und zur besseren Koordinierung innerhalb der Bundesregierung wird ein Steuerungskreis „Digitale Agenda“ eingerichtet, dessen ordentliche Mitglieder die jeweils zuständigen Staatssekretäre der federführenden Bundesministerien sind. Darüber hinaus sollen Dialogplattformen mit relevanten Akteuren „einen breiten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dialogprozess öffnen“, etwa auf dem Nationalen IT-Gipfel.

Digitale Infrastruktur und digitale Wirtschaft

Der darauf folgende Programmteil thematisiert die digitalen Infrastrukturen und ihre Rahmenbedingungen. Bemerkenswert ist, dass der erste Programmpunkt der digitalen Infrastrukturen nicht auf die Rolle des Staates eingeht, sondern die „Rahmenbedingungen zur Unterstützung des marktgetriebenen Ausbaus“ betont. Darin heißt es, der Ausbau soll zum einen durch „investitionsfördernde Regulierung“ unterstützt werden. Zum anderen werde sich die Bundesregierung in den europäischen Verhandlungen dafür einsetzen, dass die Unternehmen „ausreichend Wettbewerbs- und Investitionsspielräume nutzen können“. Ländliche Regionen sollen durch Regulierungs- und Kostensenkungsmaßnahmen unterstützt werden. Zudem sollen die Frequenzressourcen mit den Nachbarländern abgestimmt werden. Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben werden „ein angemessenes Spektrum“ zur Verfügung haben. Die „Netzallianz Digitales Deutschland“ soll die allgemeinen Rahmenbedingungen diskutieren und zum Herbst 2014 ein Kursbuch dazu vorlegen.

Auch im Gesundheitswesen sollen IKT-gestützte Anwendungen die Versorgung verbessern. Im Bereich der digitalen Wirtschaft liegt ein Schwerpunkt auf Stichworten wie Big Data, Smart Data und Smart Services. Normen und Standards für die Schnittstellen zwischen klassischer Industrie und IKT sollen gefördert und die IT-Sicherheitswirtschaft gestärkt werden. Eine Vielzahl an Förderungsmaßnahmen, auch für IT-Start-ups, wird in dem Entwurf genannt. Rahmenbedingungen für das Urheberrecht, offene WLAN-Zugänge und im E-Commerce seien anzupassen. Zudem soll eine Strategie „Intelligente Vernetzung“ erarbeitet werden. In der digitalen Arbeitswelt seien entsprechende Kompetenzen und neue Formen der Arbeitsorganisation sowie die Energiewende und Green IT zu fördern.

Innovativer Staat, Digitale Gesellschaft und Bildung, Forschung, Kultur

Im Kapitel „Innovativer Staat“ geht die Bundesregierung auf digitale Dienstleistungen einer modernisierten Verwaltung für Bürger und Unternehmen ein. Die bislang umstrittene De-Mail soll flächendeckend eingeführt und die Regierungskommunikation besser gesichert werden. Außerdem soll ein Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der G8-Open-Data-Charta vorgelegt werden. Der Punkt „Digitale Gesellschaft“ fasst die Vorstellungen der Bundesregierung zum Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen sowie der Förderung digitaler Teilhabe und Engagement zusammen. Ein weiterer Abschnitt identifiziert den digitalen Wandel bei Bildung, Forschung und Kultur als bedeutsam für den Zugang zu Wissen und die Grundlage für Innovationen. Das interdisziplinäre Forschungsforum „Privatheit – selbstbestimmtes Leben in der Digitalen Welt“ erforscht neue Ansätze zum Schutz der Privatheit. Digitalisierte Kulturgüter sollen offen zur Verfügung gestellt werden.

Sicherheit und Vertrauen, europäische und internationale Dimension

Das 6. Kapitel betont den Schutz für Gesellschaft und Wirtschaft im Netz und plädiert für einen „modernen Datenschutz auf hohem Niveau“. Der Einsatz deutscher und europäischer IT-Produkte und Hersteller sei zu fördern und mehr Sicherheit im Cyberraum müsse hergestellt werden. Dafür sei eine strategische Neuausrichtung der Cyber-Sicherheitsarchitektur ebenso erforderlich wie eine bessere technische und personelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Auch die internationale Kooperation, etwa mit der europäischen IT-Sicherheitsagentur ENISA und dem Europol Cybercrime Center. Im letzten Kapitel wird die europäische und internationale Einbettung der digitalen Agenda für Deutschland beschrieben, etwa im Rahmen des Internet Governance Forums, des transatlantischen Cyber-Dialogs und bei der Erarbeitung eines „Völkerrechts des Netzes“. Abschließend heißt es, die Bundesregierung verstehe die Umsetzung der Digitalen Agenda als „offenen, nicht abschließenden Prozess“, der in der laufenden Legislaturperiode unter Beteiligung aller Akteure fortgesetzt werden soll.

Reaktionen aus der Wirtschaft

Die Reaktionen aus der Wirtschaft waren eher enttäuscht von den Handlungsansätzen im Entwurf. Der Branchenverband BITKOM signalisierte zwar seine Unterstützung für die „Digitale Agenda“ der Bundesregierung. Die Themenstellung erfordere einen ressortübergreifenden Ansatz, betonte BITKOM-Präsident Dieter Kempf. Er kritisierte jedoch, dass im Haushaltsentwurf 2015 für den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien nur 73 Millionen Euro vorgesehen seien. Kempf begrüßte hingegen ausdrücklich die Pläne, den Nationalen IT-Gipfel, der im Oktober 2014 in Hamburg stattfinden wird, zur Umsetzungsplattform der „Digitalen Agenda“ auszubauen und somit die Umsetzung der Agenda zu begleiten. In der IT-Strategie, die der BITKOM dieses Jahr vorlegte, sind die Maßnahmen und Rahmenbedingungen erläutert, die der Verband für erforderlich hält, um die Digitalisierung in Deutschland erfolgreich zu gestalten. Dazu gehören u.a. Planungssicherheit und Investitionsanreize für die Netzbetreiber und den Breitbandausbau sowie eine verbindliche Festlegung für die Spektrumsvergabe der Digitalen Dividende II.

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft kritisierte „die mangelnde Maßnahmensubstantiierung“ der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Im ersten Entwurf der Agenda sei zwar „ein positives Verständnis des digitalen Wandels und eine der Bedeutung der Digitalen Wirtschaft angemessene Wahrnehmung zentraler Themen- und Handlungsfelder“ herauszulesen, jedoch gehen dem Verband die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Umsetzung nicht weit genug. Insbesondere bei „erfolgskritischen Schlüsselfaktoren“ wie der Operationalisierung von Datensicherheit und der digitalen Infrastruktur seien die Handlungspläne zu unkonkret.

Stimmen zum Thema:

Konstantin von Notz, stellv. Fraktionsvorsitzender der Grünen
Der großspurig angekündigte große Wurf ist diese „Agenda“ ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil: Selten hat man, gerade vor dem Hintergrund der wichtigen Vorarbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, ein so ein dünnes Papier gelesen. Da waren wir schon einmal viel weiter. Insgesamt macht diese „Agenda“ noch einmal mehr als deutlich: Netzpolitisch irrlichtert die Große Koalition trotz einer jahrelangen, sehr intensiven parlamentarischen Beschäftigung mit diesen, für unsere moderne Wissens- und Kommunikationsgesellschaft so wichtigen Themen, weiter.

Dieter Kempf, BITKOM-Präsident
Die Digitale Agenda sollte ein Masterplan für Deutschlands Weg in die digitale Welt werden. Sie wird eine Vielzahl von Themen behandeln, die für die BITKOM-Branche, aber auch für unsere gesamte Wirtschaft und Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. (…) Von herausragender Priorität sind dabei drei Themen: Infrastrukturen, Vertrauen und Sicherheit sowie die Entwicklung einer Digitalen Wirtschaft mit ihren Säulen Start-ups und Industrie 4.0.
(BITKOM, 29.07.2014)

Matthias Ehrlich, Präsident des BVDW
Die Digitale Agenda ist und bleibt ein wichtiges zukunftspolitisches Projekt. Aber was die Bunderegierung jetzt vorgelegt hat, ist mehr als ernüchternd. Viel Absicht und wenig Handfestes – Problemerkennung allein hilft uns hier nicht weiter, was wir benötigen sind konkrete Maßnahmenpakete. Hier bleiben alle mit der Digitalen Agenda befassten Ministerien einzeln und in Summe hinter den Erwartungen und den Anforderungen zurück. Die Einigung auf eine Digitale Agenda allein bringt Deutschland im globalen Wettbewerb nicht weiter. Der BVDW erneuert hier seine Forderung nach einer zügigen Umsetzung. Wir können und dürfen es uns nicht leisten, dass Deutschland weiter zurückfällt.
(BVDW, 28.07.2014)

Florian Nöll, Vorstandsvorsitzender im Bundesverband Deutsche Startups (BVDS) e.V.
Wer große Erwartungen in die Digitale Agenda gesteckt hat, der muss feststellen, dass diese zumindest aus Sicht von Startups nicht erfüllt werden. Im Absatz zur Jungen Digitalen Wirtschaft finden sich keine Informationen, die nicht schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Eine Agenda muss jedoch eine klare Roadmap und konkrete Ziele beinhalten, wenn sie mehr sein will als eine Absichtserklärung.
(DigiBuzz, 24.07.2014)

Nico Lumma, Co-Vorsitzender bei D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.
D64 begrüsst die Anstrengungen der Bundesregierung ausdrücklich, im Jahr 2014 endlich eine digitale Agenda zu formulieren. Mindestens 10 Jahre zu spät, aber immerhin. Allerdings wäre etwas mehr Mut angebracht. Wir fordern Gigabit-Ethernet als Ziel des Breitband-Ausbaus und nicht vergleichsweise mickrige 50 mbit/s! Weiterhin fordern wir ein Umdenken beim Einsatz von Hardware bei der kritischen Netzinfrastruktur und schlagen daher ein No-Spy-Siegel vor!
(DigiBuzz, 24.07.2014)

Jürgen Doetz, Mitinitiator und Koordinator der Deutschen Content Allianz und Bevollmächtigter des Vorstandes des Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) e.V.
Inhalte müssen ein zentraler Bestandteil der Digitalen Agenda werden. Zugang, Auffindbarkeit, aber auch die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens und der Durchsetzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten sind wesentliche Voraussetzungen dafür, digitale Infrastrukturen attraktiv zu machen. Digital sind nicht nur IKT-, sondern auch Kultur- und Kreativindustrien. Eine digitale Agenda, in die die Kultur-und Kreativwirtschaft nicht eingebunden wird, krankt an der mangelnden Werthaltigkeit und damit der Akzeptanz in einer digitalen Gesellschaft. Hier fehlt dem Entwurf noch die Balance.
(DigiBuzz, 24.07.2014)

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlichen Monitoringdienstes für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion