Die Minister für ein bisschen Digitales

Veröffentlicht am 18.12.2013

Kontrolliertes Chaos – mit diesen Worten könnte man die Organisation der Netzpolitik beschreiben. Nahezu jedes Bundesministerium wird künftig in netzpolitischen Angelegenheiten mitmischen. Immerhin sind unter den ernannten Ministern und Staatssekretären einige Namen, die man bereits seit längerer Zeit mit dem Thema in Verbindung bringt. Andere wiederum wurden – wie nach Wahlen üblich – auf einen Posten gesetzt, obwohl sie bisher keinesfalls durch eine ausgeprägte Netzexpertise aufgefallen sind. Die Opposition und die netzpolitisch interessierte Zivilgesellschaft verfolgt die Neuaufstellung mit zum Teil ungläubigem Kopfschütteln. Die Zersplitterung der digitalen Kompetenz in der Bundesregierung sei typisch für das digitale Unverständnis der Großen Koalition, bemängeln sie. Begeisterung löste allerdings die jüngste Nachricht aus, dass ein ständiger Hauptausschuss „Internet und digitale Agenda“ im Bundestag eingerichtet werden soll.

Das Digitale im Titel reicht nicht für die gesamte Netzpolitik

Als könnte die „Datenautobahn“ – ein etwas veralteter Begriff für den Datentransfer über Breitbandnetze – so ähnlich reguliert werden wie der Straßenverkehr, wurde der Breitbandausbau im Bundesverkehrsministerium angesiedelt. Mit dem Titel „Verkehr und digitale Infrastruktur“ trägt zwar erstmals ein Minister, in diesem Fall der ehemalige CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, das Digitale im Namen. Doch bevor Missverständnisse aufkommen könnten, meldeten sich sofort diverse andere Amtsinhaber zu Wort und beanspruchten die Federführung der Netzpolitik für sich. Auch bei Twitter herrschte anfangs Verwirrung, welche Themen denn nun in welche Ressorts einzuordnen seien. Kristina Schröder versuchte ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten, erntete jedoch ausnahmslos Kritik an der mangelnden Koordinierung der netzpolitischen Themen.

Alle sehen die Verantwortung in ihrem Ressort

Die SPD-Abgeordnete Brigitte Zypries, ehemalige Bundesjustizministerin, nun Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, betonte in einem Tweet, dass Dobrindt nur für den Breitbauausbau zuständig sei und alle anderen digitalen Belange beim Innen- und beim Wirtschaftsministerium blieben. In einer Reply auf einen Tweet von Cicero Online hob sie noch einmal hervor, dass der CSU-Abgeordnete kein „Internetminister“ sei, sondern „Breitbandminister“. Als Parlamentarische Staatssekretärin steht dem Minister für ein bisschen Digitales u.a. noch seine Parteikollegin Dorothee Bär zur Seite, die sich als Netzpolitikerin einen Namen gemacht hat. In ihrer Funktion als Vorsitzende des CSU-Netzrates hat sie sich in mehreren Positionspapieren bereits deutlich gegen Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren und andere umstrittene Maßnahmen ausgesprochen, ganz im Gegensatz zur offiziellen Linie ihrer Partei.

Positive Überraschungen und noch mehr Ressorts

Ausnahmsweise positiv wurde die Besetzung des jungen Netzpolitikers Peter Tauber als CDU-Generalsekretär von der Netzgemeinde aufgenommen. Tauber gilt als versierter Netzexperte mit großer Affinität zu Social Media und zu digitalen Fragestellungen, der auch mal gegen die Parteilinie stimmt, wenn es um Vorratsdatenspeicherung und ähnliches geht. Im Gegensatz dazu löste die Nachfolgerin des Bundesdatenschützers Peter Schaar, Andrea Voßhoff, ernsthafte Bedenken bei Datenschützern aus. Die Juristin und langjährige CDU-Bundestagabgeordnete stimmte in der Vergangenheit für Netzsperren, Online-Durchsuchungen und ähnliche Maßnahmen.

Themen wie IT-Sicherheit und E-Government verbleiben im Innenministerium unter dem neuen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dem Justizministerium wird in der neuen Legislatur auch der Bereich Verbraucherschutz zugeordnet, sodass der neue Minister Heiko Maas (SPD) ebenfalls eine Rolle bei netzpolitischen Fragen spielen wird. Des Themas Datenschutz wird sich dort insbesondere der bisherige Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, Gerd Billen, als beamteter Staatssekretär annehmen. Wie Brigitte Zypries bereits hervorhob, wird aber auch Sigmar Gabriel (SPD) als neuer Bundeswirtschaftsminister bei der digitalen Agenda mitreden.

Der Kreis lässt sich beliebig erweitern

Doch damit ist der netzpolitische Ring noch immer nicht vollständig gefüllt. Genau genommen sitzt auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) auf einer einflussreichen Position, ihm zur Seite gesellt sich Klaus-Dieter Fritsche (CSU), der den neu geschaffenen Posten des Geheimdienst-Staatssekretärs übernimmt. Dass er nun seinen früheren Arbeitgeber – den Bundesverfassungsschutz, dessen Vizepräsident er lange war – kontrollieren soll, stieß bei Kritikern nicht unbedingt auf Begeisterung. Ebenfalls im Bundeskanzleramt ist die Kulturstaatsbeauftragte Monika Grütters (CDU) für die kulturellen Aspekte der Digitalisierung verantwortlich. Bezieht man zudem noch die digitale Außenpolitik mit ein, wird auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Verhandlungstisch mitwirken. Darüber hinaus gehören die Bereiche Medienkompetenz und Jugendschutz, die immer mehr digitale Themen berühren, zum Familienministerium unter Manuela Schwesig (SPD).

So viele zuständige Ressorts wollen gut koordiniert sein – das wiederum ist Aufgabe der Bundeskanzlerin. Angela Merkel wäre also eine weitere Netzpolitikerin – die mit dem letzten Wort.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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