Digitale Märkte: Missbrauchsaufsicht, Fusions- und Algorithmenkontrolle

Foto: CC BY 2.0 Flickr User deepak pal. Bildname: Big data Analytics and ecommerce. Foto credit IQLECT Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 15.08.2018
Foto: CC BY 2.0 Flickr User deepak pal. Bildname: Big data Analytics and ecommerce. Foto credit IQLECT Ausschnitt bearbeitet.

Am 9. August stellte die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) ein Diskussionspapier zum Thema „Marktmacht auf digitalen Märkten“ vor. Ziel des Papiers ist es, einen Debattenbeitrag über die Regulierung von Datenmonopolen in der digitalen Datenökonomie zu liefern. Und das noch bevor die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission „Wettbewerb 4.0“ eingesetzt ist.

Dass der Wettbewerb im Onlinehandel immer stärker mit Daten und Algorithmen geführt wird, zeigt sich zunehmend auch in Studien. Neben dem im Juni veröffentlichten Hauptgutachten der Monopolkommission stellten am 6. August auch die „Marktwächter“ der Verbraucherzentrale Brandenburg eine Untersuchung zum Thema vor. Sie beobachteten über einen Monat die Preisgestaltung  von 16 deutschen Online-Händlern.

Diskussionspapier

„Wir brauchen eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt.“

So steht es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Bisher wurden noch keine konkreten Pläne dazu veröffentlicht, wie diese Modernisierung aussehen und wann sie kommen soll. Mit dem Papier der SNV gibt es jetzt einen frühen Diskussionsbeitrag. Besonders die Fusion von Datensätzen bei Firmenübernahmen nimmt die Stiftung als Bedrohung des Wettbewerbs wahr. Die Kartellbehörden würden bei Unternehmensfusionen zu wenig auf den Schutz von Daten und der Privatsphäre der Verbraucher achten. Es sei ein „schweres Versäumnis, dass der Datenschutzaspekt bei Fusionen bisher keine Rolle gespielt hat“, kritisiert Nicola Jentzsch, Leiterin des Datenökonomie-Projektes und Autorin des Papiers. Anhand der Übernahmen von Double Click/Google, WhatsApp/Facebook und LinkedIn/Microsoft illustriert sie, wie Unternehmen ihre Datenschutzbedingungen ändern, um die eigenen Datenpools mit denen aufgekaufter Unternehmen zusammenführen.

Stärkung der Marktbeobachtung

Damit künftige Fusionen nicht den Markt verzerren, schlägt die SNV fünf Maßnahmen für die von der Bundesregierung geplante „aktivere und systematischere Marktbeobachtung“ vor. Diese sollen als Ausgangspunkt dienen und in der kommenden Diskussion weiterentwickelt werden.

• Ökosysteme besser verstehen

Die Marktaufsicht soll sich bei Fusionen einen besseren Überblick über alle Ökosysteme
eines Unternehmens verschaffen und nicht nur einzelne Dienste betrachten. Dadurch
könnte die Zusammenlegung von Datensätzen, wie die von Facebook und WhatsApp,
transparenter werden. Ob der Wettbewerb durch die Fusion geschädigt wird, könnte so
besser erkannt werden.

• Einsatz von Machine-Learning-Verfahren

Mit dem Einsatz von Machine-Learning-Verfahren soll die Marktaufsicht in die Lage
versetzt werden, Märkte in Echtzeit zu beobachten. Als Beispiel gibt die SNV neben der
Beobachtung von (Preis-)Metriken die maschinelle Auswertung von
Datenschutzrichtlinien und deren graduelle Veränderung am Markt an.

• Formale Privatheitsgarantien

Sollten bei Fusionen Wettbewerb oder Datenschutzkonditionen zu stark leiden, könnte
die Marktaufsicht eine sogenannte „formale Garantie der Privatheit“ von Datensätzen
verlangen. Dies ist ein mathematisches Verfahren des „Verrauschens oder der
Vergröberung von Daten“, wodurch sichergestellt werden soll, dass sich
Datenschutzkonditionen nach der Fusion nicht verschlechtern.

• Verhaltensökonomische Studien würdigen

Die Marktaufsicht soll in ihre Einschätzungen stärker verhaltensökonomische Studien
einbeziehen. Zudem soll sie überprüfen, ob eine „ausreichende Anzahl an Nutzern“ einen
anderen Dienst als Alternative ansehen.

• Synthetisierung und Daten-Pooling

Durch eine Synthetisierung von Daten soll ermöglicht werden, vormals exklusive
Datensätze für den Markt zu öffnen. Der Zugriff könnte über Datenpools organisiert
werden, die an ethische Bestimmungen, Zweckgebundenheit und Privatsheitsgarantien
gebunden sind. Die SNV empfiehlt zudem die Standardisierung im Bereich der
Interoperabilität und Datenportabilität zu prüfen.

Wettbewerb 4.0

Die von der SNV vorgeschlagenen Maßnahmen für die Begrenzung der Marktmacht auf
digitalen Märkten wären sicherlich ein Impulsgeber für die Kommission Wettbewerb 4.0,
auf deren Gründung sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag geeinigt hatten und
deren Einsetzung in der Verantwortung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) liegt. Das Ministerium konnte auf Anfrage noch immer keinen genauen
Zeitplan für deren Einsetzung nennen. „Die Vorbereitungen laufen weiter. Zu Details zur
genauen Zusammensetzung […] der Kommission können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine
Auskunft geben“, so ein Sprecher des BMWi. Die SPD wagt sich hinsichtlich
Regulierungsvorschlägen etwas weiter vor. SPD-Vorsitzende Andrea Nahles denkt in
einem Gastbeitrag im Handelsblatt über ein „Daten-für-alle-Gesetz“ nach, das
Digitalunternehmen dazu verpflichtet, einen anonymisierten und repräsentativen Teil
seines Datenschatzes öffentlich zu teilen, wenn es einen festgelegten Marktanteil für eine
bestimmte Zeit überschreitet. Zudem müsse überlegt werden, ob Fusionen wie die von
Facebook und WhatsApp nicht zurückgenommen und Digitalunternehmen aufgespalten werden sollten, wenn sie einen fairen Wettbewerb verhindern.

Untersuchung zum Online-Handel

Auch auf die Stellungnahme der Bundesregierung zum Hauptgutachten der
Monopolkommission muss noch gewartet werden. Nach Aussagen des BMWi werde „in
Kürze die Länder- und Verbändeanhörung gestartet“. Danach werde die Bundesregierung
die Stellungnahme abstimmen und im Kabinett beschließen. Einen genauen Zeitplan kann
das BMWi allerdings nicht mitteilen und der inhaltlichen Positionierung kann es ebenfalls
nicht vorweggreifen. Die Monopolkommission hatte in Ihrem Hauptgutachten am 3. Juli
auf die immer weiter verbreitete Nutzung von Algorithmen bei Online-Händlern
aufmerksam gemacht. Besonders werden – so die
Monopolkommission – diese Praxen in der Luftverkehrs- und Hotelbranche angewandt. In
einer Untersuchung der „Marktwächter Digitale Welt“ der Verbraucherzentrale
Brandenburg wurden nun Preisänderungen bei Waren von 16 deutschen Onlinehändlern
unter die Lupe genommen. Manche Produkte änderten dabei im untersuchten Zeitraum
von 34 Tagen 32 Mal den Preis. 60 Prozent der Güter waren ein- bis dreimal von einer
Preisänderung im Untersuchungszeitraum betroffen. Auch die Höhe des Preises variierte.
Bei 30 Prozent der untersuchten Produkte veränderte sich der Preis um mehr als 20
Prozent vom mittleren Produktpreis. Diese Zahlen lassen die „Maktwächter“ zu dem
Schluss kommen: „Dynamische Preisdifferenzierung ist heute fester Bestandteil der
Preissetzungsstrategien im deutschen Online-Handel.“

Die Ministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Katarina Barley (SPD) kritisierte die
schwankenden Preise als „undurchschaubar“ und forderte:

„Insbesondere #Algorithmen, die individuelle Preise berechnen, müssen […] transparent sein. Kunden haben ein Recht zu wissen, warum ihnen ein bestimmtes Angebot gemacht wird.“

Amazon war im übrigen nicht Teil der Untersuchung. Für das Unternehmen soll laut
Marktwächter eine eigene Studie Ende dieses Jahres erscheinen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Martin Müller ist Analyst für Digitalpolitik.  

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