Digitales Asylverfahren: Sag mir, wer du bist

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Endstation Jetzt. Bildname: 13-Endstation_171127. Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 05.01.2018
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Medizintests zur Feststellung des Alters von Flüchtlingen sind hoch umstritten. Auch die genaue Herkunft von Asylsuchenden kann oft nicht bestimmt werden. Deshalb nutzen Behörden immer mehr digitale Tools im Asylverfahren. Automatische Gesichtserkennung, automatische Dialekterkennung, Namenstransliteration und Auswertung mobiler Datenträger – dies sind die vier Pfeiler des sogenannten Integrierten Identitätsmanagements (IDM), welches das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Jahr 2017 eingeführt hat. Es dient der digitalen Identitätserfassung der Asylsuchenden am ersten Kontaktpunkt in Deutschland und ist Teil einer umfassenden Digitalisierungsagenda des BAMF, nach der bis zum Jahr 2020 mehr als 30 Digitalisierungsinitiativen umgesetzt werden sollen.

Digitale Tools zur Identitätsfeststellung

Beim „Integrierten Identitätsmanagement“ geht es hauptsächlich darum, die Effizienz von Asylverfahren zu steigern. Die digitalen Assistenzsysteme sollen die „Entscheiderinnen und Entscheider“, wie es in der Digitalisierungsagenda 2020 heißt, bei der Erhebung und dem Abgleich von Daten und Angaben der Asylsuchenden unterstützen. Dadurch würden Entscheidungen auf eine breitere Grundlage gestellt, Missbrauch verhindert und die öffentliche Sicherheit erhöht, heißt es in der Digitalisierungsagenda. Die digitalen Assistenzsysteme wurden zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung des BAMF in Bamberg getestet und danach Mitte des Jahres 2017 bundesweit eingeführt.

Die automatische Gesichtserkennung ermöglicht es, biometrische Bilder der Asylsuchenden mit denen bereits registrierter Antragssteller abzugleichen. So sollen insbesondere bei Asylbewerbern, bei denen keine Fingerabdrücke abgenommen werden können – zum Beispiel bei unter14-Jährigen – Mehrfachregistrierungen verhindert werden.

Da laut BAMF nur etwa 40 Prozent der Antragsstellenden einen Pass vorlegen können, wird mittlerweile mit unterschiedlichen digitalen Methoden versucht, das Problem der Identitätsfeststellung zu bewältigen. Mittels einer Software für Stimmbiometrie etwa wird der gesprochene Dialekt der Antragsstellenden, soweit bekannt, geografisch grob verortet, was die Herkunftsregion der Antragsstellenden eingrenzen soll. Da jedoch vor allem im arabischen Raum die Vielfalt der Sprachen und Dialekte groß ist – allein in Syrien gibt es 18 aktiv gesprochene Sprachen und unzählige zugehörige regionale Dialekte des Arabischen – ist der Rückschluss auf ein bestimmtes Land nur beschränkt möglich.

Auch mit Hilfe der Namenstransliteration sollen teilweise Rückschlüsse auf das Herkunftsland gezogen werden. So geben die Antragsstellenden selbst über Tastaturen mit sprachspezifischen Zeichensätzen ihre Namen ein, die dann vom Transliterationsassistent automatisch in lateinische Schriftzeichen standardisiert und anschließend analysiert werden.

Teil des Integrierten Identitätsmanagements ist zudem die Auslesung mobiler Datenträger der Asylsuchenden beim Erstkontakt mit dem Bundesamt, was seit dem im Mai vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht juristisch möglich ist. Laut der BAMF-Chefin Jutta Cordt sei die tatsächliche Auswertung der Daten „Ultima Ratio“. Diese trete ein, wenn die Betroffenen keinen Pass vorlegen könnten und anderweitige Informationen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis über die Herkunft führten. Anhand der auf dem Smartphone gespeicherten Metadaten, wie etwa der Sprache, in der kommuniziert wird, oder dem Ländercode, könne auf die Herkunft geschlossen werden. Inhalte von Bildern und Nachrichten der mobilen Geräte werden allerdings nicht ausgelesen. Datenschützer lehnen die Auslesung von Metadaten mobiler Endgeräte strikt ab.

Letztendlich entscheidet der Mensch

Kritiker der digitalen Assistenzsysteme bemerken, dass die zunehmende Technisierung und Automatisierung bei Asylverfahren zu Fehlern führen könnten, die mitunter zu Abschiebungen von Menschen in Gebiete führten, wo ihnen Verfolgung und Tod drohten. Insgesamt wird allerdings an mehreren Stellen der Digitalisierungsagenda 2020 erwähnt, dass die digitalen Assistenzsysteme die Entscheidungen der Mitarbeitenden des BAMF nicht ersetzen. Dr. Markus Richter, BAMF-Abteilungsleiter Infrastruktur und IT, erklärte:

„Wichtig ist: Die Werkzeuge sind nur eine Hilfe für die Entscheiderinnen und Entscheider.“

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