Drei Bundesländer auf Digitalkurs

Bundesländer auf Digitalkurs
Veröffentlicht am 15.06.2016

Jetzt ist es amtlich: Mainz, Magdeburg und Stuttgart haben neue Landesregierungen und die schlagen entschlossen einen Digitalisierungskurs ein. Malu Dreyers SPD koaliert in Rheinland-Pfalz mit Grünen und FDP in einer Ampel, in Sachsen-Anhalt regiert nun Schwarz-Rot-Grün unter CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff. In Stuttgart gibt es zum ersten Mal eine grün-schwarze Landesregierung – mit der CDU als Juniorpartner. Obwohl die amtierenden Ministerpräsidenten ihren Posten behalten, spürt man den Ruck, der bei den Landtagswahlen am 13. März durch die Länder ging – auch in den Koalitionsverträgen. Das Digitalisierungsministerium in Magdeburg soll den „Digitalen Aufbruch für Sachsen-Anhalt“ sichern, ein Digitalisierungskabinett unter Malu Dreyer die „digitale Zukunft“ in Mainz gestalten. Der Industrie- und Technologiestandort Baden-Württemberg soll auch digitaler werden. Die Bundesländer setzen in ihren Strategien eigene Akzente, haben aber verstanden: Digitalisierung muss Chefsache werden.

Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt auf Digitalkurs
Bundesländer auf Digitalkurs

Digitale Umorganisation

Damit das „Land der Frühaufsteher“ die Digitalisierung nicht verschläft, wollen die Koalitionspartner in Magdeburg eine Strategie „Sachsen-Anhalt digital“ erarbeiten und mit einem Dialogprozess begleiten. Schlüssel zu einem digitalen Vorreiterbundesland seien ein bezahlbarer, schneller und gleichberechtigter Zugang zum Internet, flächendeckend freies WLAN und demokratische Teilhabe via E-Government. Federführend soll das entsprechend umbenannte Wirtschaftsministerium (jetzt: Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung) den Wandel gestalten. Dieses Ressort geht in der neuen Koalition an die SPD. Auch in Mainz steht die Digitalisierung ganz oben auf der Prioritätenliste der neuen Ampelkoalition. Statt nur einem Ministerium sieht Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gleich ein ganzes „Digitalisierungskabinett“ unter ihrer Führung in der Verantwortung, den Weg zur Gigabitgesellschaft zu ebnen. Unklar bleibt zwar, wer an diesem Kabinett beteiligt werden soll oder welche Befugnisse es erhält, aber der Koalitionsvertrag sieht vor, dass es eine „klare, abgestimmte und umfassende Digitalisierungspolitik sicherstellen“ und eine gesamtheitliche Digitalstrategie erarbeiten soll. Außerdem soll es die vereinbarten E-Government-Reformen auf den Weg bringen. Eine ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie mit dem Namen „digital@bw“ sieht der Stuttgarter Koalitionsvertrag vor. Als einziges der Bundesländer beziffert Baden-Württemberg den Aufwand: Über 325 Millionen Euro sollen in die Digitalisierung des Landes investiert werden. Das Ministerium des Innern, für Digitalisierung und Migration, das unter anderem die Verwaltungsmodernisierung voranbringen soll, geht in der neuen Legislaturperiode an die CDU.

Breitbandausbau für die Gigabitgesellschaft

Beim Breitbandausbau wollen alle drei Bundesländer Tempo machen. Die Koalitionen wollen an dem Ziel, flächendeckend Anschlüsse von mindestens 50 Mbit/s bis zum Jahr 2018 zu realisieren, festhalten und sagen Kommunen weitere Unterstützung bei der Umsetzung zu. Baden-Württemberg will dazu „erhebliche Mittel“ aufwenden. Das Bekenntnis zur Glasfaser statt eines kupferbasierten Vectorings erwähnen alle drei Verträge. Ein „Netzbündnis für Rheinland-Pfalz“ soll alle beteiligten Akteure in Zukunft an einen Tisch bringen und die Gelder für den Breitbandausbau aus Landes-, Bundes- und EU-Fonds koordinieren. Baden-Württemberg zieht in Erwägung, dass Anwohner der noch nicht ausreichend angeschlossenen Kommunen künftig einen Erschließungsbeitrag zahlen könnten. Dass die von der Bundesregierung in der Digitalen Agenda vorgegebenen 50-Mbit/s nur eine Zwischenetappe sein können, macht der Mainzer Koalitionsvertrag unmissverständlich deutlich. Das Ziel: Gigabitnetz. Malu Dreyer hatte bereits in der vorherigen Legislaturperiode eine 300-Mbit/s-Studie vorgelegt, um den Kommunen eine Grundlage für den weiteren Breitbandausbau zu liefern.

In Sachsen-Anhalt spricht man sich außerdem für Freifunkinitiativen von Bürgern und gegen die Störerhaftung aus. Dieses politische Signal der Kenia-Koalition geht an die Große Koalition im Deutschen Bundestag, die seit Monaten über die Änderung des Telemediengesetzes berät und bei der Störerhaftung bislang zu keiner Einigung gefunden hat, die beide Seiten für EU-rechtskonform halten. Öffentliche Gebäude sollen in beiden Bundesländern zukünftig mit freiem WLAN ausgestattet werden. Das Projekt „1000 WLAN-Hotspots in 1000 Kommunen“ wurde als SPD-Wahlkampfforderung auch im Mainzer Koalitionsvertrag festgehalten. Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg gehen weiter – dort sollen neben öffentlichen Gebäuden auch öffentliche Verkehrsmittel WLAN bekommen.

E-Government und Open Data

Verwaltungsmodernisierung wird in den Koalitionsverträgen groß geschrieben. Baden-Württemberg will die Verwaltung 4.0, Bürokratieabbau soll Transparenz schaffen und die heimische Wirtschaft entlasten. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz soll im Laufe des Jahres 2017 ein E-Government-Gesetz erarbeiten, mit dem auch die E-Akte Einzug in das Land der Ampel-Koalition halten soll. Profitieren soll von der Entbürokratisierung neben den Bürgern und der Verwaltung auch die Wirtschaft. Der Chief Information Officer (CIO) mit einer administrativen Steuerungseinheit und zentraler Budgetverantwortung wird den Prozess in Mainz verantworten. Auch Sachsen-Anhalt will das E-Government, liefert nur keinen konkreten Zeitplan.

Die Mainzer Ampel-Koalition will nicht nur den digitalen Behördengang ermöglichen, sondern zeigt sich auch überzeugt, dass „die Offenlegung von öffentlichen Daten zu Innovationen führen“ kann. Das Open-Data-Portal des Landes will man deswegen ausbauen und weitere Maßnahmen zur Nutzung offener und gebührenfreier Daten fördern. Die Stuttgarter Kiwi-Koalition will die bereits bestehenden offenen Datensätze der Kommunen und Verwaltung in die deutschlandweite Plattform govdata.de integrieren und zunehmend auch Datenbestände wie die Geodaten der Landesbehörden oder Echtzeit-Verkehrsdaten unter freier Lizenz zugänglich machen. In Sachsen-Anhalt muss ein solches Open-Data-Portal erst entstehen, aber auch in Magdeburg ist das Bekenntnis für die offenen Verwaltungsdaten zu vernehmen. Deswegen soll das Informationsfreiheitsgesetz auch zum Transparenzgesetz weiterentwickelt werden, wie man es bereits aus Hamburg kennt. Rheinland-Pfalz hat ein solches Transparenzgesetz bereits im Herbst 2015 verabschiedet.

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