E-Health: BMWi legt Eckpunktepapier vor

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Veröffentlicht am 07.06.2017

Pünktlich zum Digital-Gipfel der Bundesregierung am 12. und 13. Juni hat Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) ein Eckpunktepapier zu E-Health vorgelegt. Es enthält Maßnahmen, die nach Ansicht des Ministeriums notwendig sind, um die immer noch schleppend vorankommende Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft zu beschleunigen und innovativen Start-ups den Zugang zum deutschen Gesundheitsmarkt zu erleichtern. Wenn es gelinge,

„Hemmnisse abzubauen und Innovationen Luft zum Atmen zu geben, bietet die Digitalisierung gerade in diesem Bereich viele Chancen“,

erklärte die Ministerin am 31. Mai bei der Vorstellung in Berlin. Aktuell zähle die Gesundheitswirtschaft jedoch „zu den am wenigsten digitalisierten Branchen“.

Im zuständigen Bundesgesundheitsministerium, dem Zypries so zumindest indirekt eine schwache Bilanz auf diesem Gebiet attestiert, gibt man sich betont gelassen ob des zwischen den Ressorts offenkundig nicht abgestimmten Vorstoßes:

„Es ist gut, dass das Bundeswirtschaftsministerium zwei Jahre nach dem E-Health-Gesetz auch die Bedeutung der Digitalisierung des Gesundheitswesens erkennt“, teilte das Haus auf Anfrage des Tagesspiegels mit.

Das Verhältnis zwischen beiden Ministerien gilt seit dem Streit um das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als angespannt.

Auch beim in der kommenden Woche stattfinden Digitalgipfel (ehemals: IT-Gipfel) der Bundesregierung in der Rhein-Neckar-Metropolregion ist die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft eines der zentralen Themen.

Innovationen „oft schon im Keim erstickt“

Für Start-ups „mit zahlreichen innovativen Ideen und Geschäftsmodellen“ sei der Zugang zum Gesundheitsmarkt häufig ein „schwieriger und dornenreicher Weg“, heißt es in den Eckpunktendes BMWi. Innovationen würden „oft schon im Keim erstickt“, weil „hohe Eintrittsbarrieren“ und ein Prozess, der „langwierig, sehr teuer, komplex und wenig transparent“ sei, diesen „attraktiven Markt für kleine, junge Unternehmen und digitale Start-ups kaum erreichbar“ machten, so der Befund. Um das zu ändern, schlägt Zypries u.a. „verbindliche Fristen und eindeutige Ansprechpartner“ beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und Bewertungsausschuss vor. Des Weiteren sollten die Zulassungsbehörden im Gesundheitswesen „einen offenen und kontinuierlichen Dialog mit Start-ups etablieren“, fordert die Ministerin. Als Vorbild könne die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dienen, die als Zulassungsbehörde „auch Service für FinTech-Start-ups bietet“.

Zudem empfiehlt die SPD-Politikerin, betroffene Unternehmen und Verbände zukünftig bei der „Festlegung der Gebührenzifferdurch den Bewertungsausschuss“ zu beteiligen, um eHealth-Start-ups den Zugang zu Risikokapital zu erleichtern und um sicherzustellen, dass „neue digitale Angebote und Produkte leistungsgerecht entlohnt werden“. Außerdem rät sie, spezielle „Experimentierräume“ zu schaffen, in denen „durch temporäre und lokal begrenzte Veränderung von Regularien Innovationen ausprobiert werden können“.

500 Millionen Euro mehr für Uni-Kliniken

Zusätzliche Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro für Investitionen in die digitale Infrastruktur stellt die Bundeswirtschaftsministerin Universitätskliniken in Aussicht. Sie hätten eine „Vorreiterrolle beim Einsatz von Innovationen, da modernste Geräte und Verfahren in Diagnose und Behandlung eingesetzt werden“, heißt es in den Eckpunkten. Dank zusätzlicher Investitionen würde eine „Standardisierung befördert, die auf den ambulanten Bereich ausstrahlen kann“.

Davon ist auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) überzeugt. „Wir begrüßen ausdrücklich diesen Vorschlag“, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Gleichwohl, so Baum, benötigten nicht nur Uni-Kliniken, sondern alle Krankenhäuser „diese gezielte Förderung, um sich zukunftsfähig und sicher aufzustellen“. Laut DKG wäre hierfür ein „mehrjähriges Sonderprogramm ‚Digitales Krankenhaus‘ des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr“ erforderlich.

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, nannte Zypries‘ Vorschlag unterdessen „richtig und ein wichtiges Signal“, wenngleich „es sich angesichts des Zeitpunktes dieser Initiative wohl leider eher um einen grundsätzlichen Appell als um eine konkrete Ankündigung handelt“.

Zypries: Fernbehandlungs- und -verschreibungsverbot lockern

Was die Nutzung von Gesundheitsdaten angeht, sieht das BMWi ebenfalls noch Optimierungsbedarf. Versorgungsdaten stünden „nur sehr begrenzt und stets rein zweckgebunden für die Versorgungsforschung zur Verfügung“. Darüber hinaus sei es nicht möglich, „Daten, die vom Patientenselbst erhoben werden, mit Daten aus dem professionellen medizinischen Bereich“ zu verknüpfen, moniert das Ministerium. „Dies hemmt die Entwicklung für innovative Geschäftsmodelle auf der Basis von Big Data zur Verbesserung der bestehenden Diagnose- und Therapieverfahren“, heißt es im Eckpunktepapier, in dem sich Zypries dafür ausspricht, künftig sämtliche Daten „unter strikter Wahrung des Schutzes personenbezogener Patientendaten“ für Forschung und Versorgung bereitzustellen und miteinander zu verknüpfen.

Um allen Beteiligten mehr Klarheit über die gesetzlichen Anforderungen beim Umgang mit Gesundheitsdaten zu verschaffen, sollten nach Ansicht der Ministerin „bundeseinheitliche, transparente und verbindliche Datenschutzregelungen unter Beachtung der EU-Datenschutzgrundverordnung“ umgesetzt werden. Dem Patienten will sie das Recht einräumen, „jederzeit auch digital auf seine Gesundheitsdaten zugreifen und das Zugriffsrecht Dritten einräumen zu können“.

Daneben kündigt Zypries im Eckpunktepapier an, das Gespräch mit der Bundesärztekammer (BÄK) über eine Lockerung des Fernbehandlungsverbotes in der Musterberufsordnung suchen zu wollen. Eine bundesweite Anpassung des Fernverschreibungsverbotes soll ebenfalls geprüft werden.

Gesundheit auf Agenda des Digitalgipfels

Der von der Bundesregierung zum „Digitalgipfel“ weiterentwickelte IT-Gipfel findet in diesem Jahr in der „Gesundheitsregion“ Rhein-Neckar statt. Bei der vom Bitkom-Verband ausgetragenen „Health Conference“ am 12. Juni beim Mannheimer Pharma-Konzern Roche diskutieren die zuständigen Ministerinnen und Minister der Austragungsbundesländer des Digitalgipfels (Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz) über länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Digitalisierung der Gesundheitsbranche.

Vertreter der Gesundheits-und Versicherungswirtschaft besprechen außerdem die Umsetzung des E-Health-Gesetzes in der Praxis. Fragen zur E-Health-Infrastruktur werden beim Panel zum Thema „Veränderte Grundlagen für die Gesundheit in der Gigabit-Gesellschaft“ u.a. mit Dr. Tobias Miethaner, dem Abteilungsleiter Digitale Gesellschaft beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, und Sandra Hoyer von Deutsche Telekom Healthcare Thema sein. Bei einer parallel im Schloss Mannheim stattfindenden Veranstaltung geht es um das Thema Cyber-Sicherheit bei fortschreitender Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dazu sprechen u.a. Dr. Thomas Kremer von der Deutschen Telekom und BSI-Präsident Arne Schönbohm.

Auch im Hauptprogramm des Digitalgipfels ist das Gesundheitsthema prominent vertreten: Bei zwei von vier Diskussionsforen am 13. Juni im Pfalzbau Ludwigshafen geht es um sicheres, koordiniertes Vorgehen bei der Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft bzw. um die Zukunft der Gesundheitsforschung. Dabei sitzt u.a. der Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe (CDU), mit den Kabinettskollegen Thomas de Maizière (CDU) und Johanna Wanka (CDU) sowie Vertretern der Wirtschaft auf den Podien. Vernetzung der Mobilität, Digitale Bildung, Digitale Verwaltung sowie Digitale Wirtschaft stehen – wie in den vergangenen Jahren – ebenso auf der Agenda des Digitalgipfels. Die Keynotes werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bitkom-Präsident Thorsten Dirks halten.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch schreibt über Netzpolitik und beobachtet die Landespolitik. Stephan Woznitza ist Analyst für Gesundheitspolitik.

Beitragsbild CC liveClinic Healthcare Blog.

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