Etikette im Netz: Gesetz, Technik oder Counterspeech?

Foto: CC BY 2.0 Flickr User Larry Wentzel. Bildname: Computer Gremlin. Ausschnitt bearbeitet.
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Veröffentlicht am 18.06.2018

Wahrscheinlich hat jede(r) Politiker(in), der bzw. die auf Social Media aktiv ist, schon einmal einen Kommentar auf der Pinnwand entdecken müssen, der von Zorn und Ablehnung geprägt war. Als Person des öffentlichen Lebens und dazu noch eine, die aufgrund des Politikerdaseins schnell für Missstände und Probleme im Land verantwortlich gemacht wird, müssen sie inzwischen damit rechnen. Doch sind alle Politiker gleichermaßen von Hasskommentaren und aggressiven Äußerungen auf Social Media betroffen? Eine internationale Gruppe von Journalisten hat sich genau diese Frage gestellt und Datenanalysen in vier Ländern, darunter auch Deutschland, durchgeführt. 10.000 Kommentare auf Facebook und Twitter, die an Abgeordnete gerichtet waren, wurden analysiert. Das Ergebnis zeigt: Bestimmte Themen und Personen gelangen schneller ins Visier der Hassposter.

Migration, Islam, AfD

Um für mehr Differenzierung zu sorgen, teilten die Journalisten die gefundenen bösartigen Äußerungen in ein dreistufiges Modell ein, welches von der NGO Artikel 19, die sich unter anderem für Meinungsfreiheit im Internet einsetzt, entwickelt wurde. Demnach werden Hasskommentare in beleidigende, menschenfeindliche und klar hetzerische/vermutlich illegale Aussagen eingeteilt. Das Ergebnis in Deutschland: Rund 4,5 Prozent der Kommentare, die an 45 zufällig ausgewählte Abgeordnete im Bundestag gerichtet wurden, fallen unter beleidigende bis vermutlich illegale Aussagen.

Das bedeutet, dass insgesamt nur einer von 20 Kommentaren klar bösartig war – allerdings ändert sich dieses Verhältnis deutlich, sobald die Themen Migration, Islam und AfD angesprochen werden, so das Ergebnis der Studie.

„Auffällig ist auch, welche politische Seite stärker durchschlägt: Sechs von zehn aggressiven Kommentaren werteten wir als klar rechts“

schreibt netzpolitik.org, die ebenfalls an der Studie beteiligt waren. Besonders viele menschenfeindliche und aggressive Äußerungen wurden auf den Facebook-Seiten und in Twitter-Antworten an die Alternative für Deutschland (AfD) gefunden. Dabei fungieren diese Seiten eher als Plattform, um Attacken gegen andere loszuwerden – etwa gegen die Kanzlerin, die dort häufig als „Mama Merkel“ oder „Merkelin“ bezeichnet wird.

Gesetze, Technik oder Counterspeech

Wie soll man mit Hate Speech im Internet umgehen? Diese Diskussion ist noch lange nicht am Ende. Das zeigt schon allein die Debatte um das deutsche NetzDG, welches in Regierungskreisen bereits überdacht wird, weil es ein Zuviel-Löschen bewirken kann. An technischen Lösungen dagegen feilen Facebook und Twitter. Sie wollen das Problem mit Künstlicher Intelligenz (KI) oder Algorithmen lösen. Fazit der Journalisten der Studie ist jedoch, dass man Hate Speech weder allein mit technischen noch gesetzlichen Regelungen begegnen kann.

„Rechte Hetze im Netz lässt sich nicht technisch und rechtlich lösen, sondern nur mit Gegenrede. Wir müssen auf die Hetzer antworten“, schreiben sie.

#ichbinhier

In diese Kerbe schlägt zum Beispiel die Facebook-Gruppe #ichbinhier, die für einen konstruktiven Dialog in den sozialen Medien steht. Um das Diskussionsklima zu verbessern, setzen die Mitglieder der Gruppe Counterspeech ein. Kommentare, die Schmähungen, Beleidigungen oder Hasskommentare enthalten, werden in der Gruppe geteilt, um daraufhin sachlich und respektvoll auf sie zu reagieren.

„Wir stützen uns gegenseitig und zeigen den Hetzern: Ich bin auch hier. Ich überlasse dir nicht das Feld“, schreibt die Gruppe.

Mittlerweile wurde diese von 20 Köpfen moderiert, über 39.000 sind Mitglied. #ichbinhier wurde von Judith Marthaler und Hannes Ley ins Leben gerufen und ist die Schwesterorganisation der schwedischen Gruppe #jagärhär, die heute über 70.000 Mitglieder hat.

Foto: CC BY 2.0 Flickr User Larry Wentzel. Bildname: Computer Gremlin. Ausschnitt bearbeitet.

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