EU-Kommission veröffentlicht Experten-Bericht zum Internet of Things

Veröffentlicht am 06.03.2013

Autor: Uta Meier-Hahn

Die Europäische Kommission veröffentlichte Ende Februar den Abschlussbericht der Expertengruppe zum Internet of Things. Das 2010 von der Kommission einberufene Beratungsgremium beschreibt darin, welche Szenarien die besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers verlangen, wenn mehr und mehr physische Objekte mit dem Internet verbunden werden. Dem Bericht waren öffentliche Konsultationen mit Vertretern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Industrie vorangegangen. Kritische Entwicklungen bringen die Technologien des Internet of Things den Experten zufolge für die Bereiche Ethik, Datenschutz, technische Architektur, Standards, Identifizierung der vernetzten Objekte und Governance.

Ethik: Grenzen zwischen Akteuren verwischen

Internet of Things: Intelligenter Kühlschrank

Aus ethischer Perspektive lassen sich in das Internet of Things laut Bericht Hoffnungen setzen. Zum Beispiel deuten sich Innovationen in den Bereichen Gesundheit oder Sicherheit an. Es bringe aber auch Unsicherheit mit sich: „Menschen sind es nicht gewohnt, dass Objekte eine Identität haben oder dass sie eigenständig agieren, besonders wenn diese sich unerwartet verhalten“, berichtet die Ethik-Gruppe. Die Grenzen zwischen menschlichen Akteuren und agierenden Objekten verschwimmen. Bei eventuellen Schäden oder unerwünschten Wirkungen werde es schwierig sein, die Verantwortlichkeit zu bestimmen oder Haftungsfragen zu klären.

Datenschutz: EU-Verordnung abwarten

Abschlussbericht der Expertengruppe zum Internet of Things

Vernetzte Objekte, Sensoren und Aktuoren im privaten und öffentlichen Raum werden jedermanns Intimsphäre betreffen, „aber nur wenige werden es wirklich bemerken“, sind sich die Mitglieder der Datenschutz-Gruppe sicher. Sie fordern daher, dass Datenschutz- und Sicherheitsbelange bereits im Entwurfsstadium und auch bei der Entwicklung von Standards zu berücksichtigen seien. Unter dem Stichwort privacy by design findet diese Idee mit der EU-Datenschutzverordnung möglicherweise ohnehin bald Eingang in die europäische Gesetzgebung. Solange eine Verordnung noch nicht verabschiedet ist, scheint es unklar zu sein, ob es extra Gesetze zum Datenschutz im Internet of Things brauche.

Was fehle, so ein Mitglied der Datenschutz-Gruppe, seien in jedem Fall Leitlinien, wie bestehende Gesetze anzuwenden seien. Wenn Millionen von Objekten personenbezogene Daten generierten, werde es zum Beispiel immer schwieriger, eine „informierte Einwilligung“ von den betroffenen Personen einzuholen. Die Datenverarbeitung durch Dritte wird mit der EU-Verordnung mutmaßlich an die explizite Einwilligung der Betroffenen geknüpft bleiben.

Ohne Standards kein Vertrauen

In der Praxis stehen fehlende Standardisierungen dem Ausbau des Internet of Things immer noch im Wege – offenbar auch wegen unklarer Zuständigkeiten. Die Rapporteurin wies aber auf die Initiative OneM2M hin. Sie soll der industriellen Fragmentierung global entgegenwirken und könnte bis Ende 2013 erste Standards zu Aspekten wie Protokollen, Authentifizierung oder Interoperabilität entwickeln.

Beispielsweise ist noch nicht vereinheitlicht, wie sich Objekte im Internet of Things technisch identifizieren sollen, wie sie für Dienste auffindbar werden und wie sich Bewegung von Objekten abbilden lässt. Im Raum stehen offenbar wenigstens zwei Möglichkeiten: mit großem Aufwand ein globales System zur Identifizierung einzuführen (zum Beispiel auf der Basis von IPv6) oder Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Systemen zu ermöglichen.

Lassen sich keine verlässlichen Standards etablieren, leide das Vertrauen, befindet die Gruppe zu Identifizierung. Autofahrer werde es nicht glücklich machen, „wenn halbautonome Fahrzeuge so oft unerwartet stehenbleiben und neugestartet werden müssen wie manche Computer-Betriebssysteme.“

Keine Extra-Institutionen für Governance des Internet of Things

Das vielleicht erstaunlichste Ergebnis brachte die Gruppe zu Papier, die sich eineinhalb Jahre lang mit Fragen der Governance des Internet of Things beschäftigte: Die Fachleute haderten bis zum Abschluss mit dem Gegenstand der Untersuchung. In anderen Worten: Ist das Internet of Things tatsächlich etwas grundsätzlich Neues, oder handelt es sich nur um eine Erweiterung des bestehenden Internets? Ihr Plädoyer: Für politische Fragen zum Internet of Things sollte kein Partikular-Forum eröffnet werden. Sie sollten innerhalb bestehender Multi-Stakeholder-Strukturen für Internet Governance verhandelt werden – beispielsweise beim Internet Governance Forum. Dort wäre man vorbereitet.

Beim Internet Governance Forum 2012 traf sich wiederholt eine Arbeitsgruppe zum Internet of Things. Doch auf der Agenda stand nur ein Tagesordnungpunkt: Über den eigenen Fortbestand entscheiden. Die Gruppe entschied sich fürs Weitermachen – vorläufig, bis die Europäische Kommission im Laufe des Jahres die erwarteten Empfehlungen zur Internet-of-Things-Politik vorlegt. Dann wird sich zeigen, ob die europäische Politik das Internet of Things als eigenständiges Gebilde wahrnehmen will, oder ob der Begriff vor allem ein wirkemächtiges Bild bot, um über Schwierigkeiten rund um die Informatisierung von Objekten zu sprechen.

Die E-Plus Gruppe unterstützt das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beim Aufbau einer Plattform zu Fragen der Internet-Regulierung. Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen dieser Kooperation auf UdL Digital.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion