Europa Digital: Interview mit Svenja Hahn

Veröffentlicht am 27.05.2019

„Für eine Union in der Du Held deines Lebens sein kannst“ – mit diesem Slogan ist Svenja Hahn als Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen zur Europawahl 2019 angetreten. Als Präsidentin der europäischen liberalen Jugend, LYMEC, schlage ihr „Herz europäisch“, schreibt die gebürtige Hamburgerin auf ihrer Webseite. Auf Listenplatz 2 hinter der Spitzenkandidatin der FDP, Nicola Beer, ist Hahn am Sonntag in das Europäische Parlament gewählt worden.

Nach Abschluss ihres Master-Studiums 2015 ging Hahn in die Public-Relations-Abteilung eines großen deutschen Schreibwarenherstellers. Schon während ihres Studiums der Medienwissenschaft in Berlin engagierte sie sich bei der Jugendorganisation der Freien Demokraten. Für die Bundestagswahl 2017 war sie dann Kampagnenmanagerin in Hamburg und ist seit 2018 Teil des ALDE-Rats – dem zweitwichtigsten Entscheidungsgremium der europäischen Liberalen.

Wir haben Svenja Hahn nach ihrer Meinung zum Digitalen Binnenmarkt, Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz und dem Reformbedarf der EU im Allgemeinen befragt.

Pressefoto: FDP

Die EU hat sich auf den Weg zu einem Digitalen Binnenmarkt gemacht, was sind aus ihrer Sicht die nächsten großen Schritte in dieser Entwicklung?

Der Digitale Binnenmarkt muss konsequent vollendet werden. Denn er bietet ein enormes Potential: Schätzungen zufolge können über den Digitalen Binnenmarkt 415 Milliarden Euro erwirtschaftet werden und hunderttausende neue Arbeitsplätze in Europa entstehen. Dafür müssen gemeinsame Standards und weniger Regulierung eingeführt werden. In einem gemeinsamen Binnenmarkt kann es zum Beispiel keine Rolle spielen, von welchem Ort aus Verbraucher auf Internetseiten zugreifen, um beispielsweise ein Hotel für den Urlaub zu buchen oder in einem Online-Shop einzukaufen. Dafür brauchen wir gemeinsame Normen, europäische Vertragsstandards, und die Abschaffung von beispielsweise Geoblocking.

Was kann die EU tun, um europäische Unternehmen zu unterstützen, sich bei Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz und dem Autonomen Fahren im Innovationswettbewerb mit Asien und Nordamerika zu behaupten?

Europa muss zum Spitzenreiter bei Innovation und Forschung werden. Das umfangreiche Wissen, dass in den europäischen Staaten existiert, bietet ein enormes Potential, das vielfach noch ungenutzt bleibt. Wir wollen dazu eine europäische Agentur für Sprunginnovationen, die koordiniert und Rahmenbedingungen für Innovation verbessert. Dabei soll die Agentur auch europäische Public-Private-Partnerships und Kooperationen mit EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, wenn es den Zielen und der Unabhängigkeit der Agentur nicht im Wege steht. Außerdem muss stärker in die digitale Infrastruktur und gezielt in Forschung und Innovation investiert werden.

Die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Arbeitswelt der Zukunft ist eine zentrale Herausforderung: Welche Rolle kann und sollte die EU dabei spielen?

Wenn Menschen europaweit leben und arbeiten, dann braucht es auch eine Infrastruktur und Gesetzgebung, die digitales Arbeiten und Home Office ermöglicht. Das Arbeitnehmer zukünftig voraussichtlich ihre Arbeitszeit noch umfassender dokumentieren müssen, verhindert den überfälligen Schritt in die Arbeitswelt der Zukunft. Stattdessen rollt ein Bürokratiemonster auf uns zu. Wir brauchen aber mehr, nicht weniger Chancen für Vertrauensarbeit, mobiles Arbeiten und Co.. Voraussetzung für all dies ist natürlich auch, dass Glasfaser bis zur Haustür in der gesamten EU Standard wird.

Welche digitalpolitischen Prioritäten sollten das neugewählte Parlament und die nächste Kommission in den nächsten Jahren setzen?

Nur wenn die Europäische Union sofort massiv in eine europaweite Digitalisierung investiert, werden wir im weltweiten Wettbewerb bestehen können. Wir brauchen flächendeckende Gigabit-Infrastrukturen in ganz Europa. Wir können es uns nicht leisten, auch auf der Datenautobahn im Stau zu stehen, sondern brauchen hochleistungsfähiges Internet für den Down- und Upload. Zudem muss wie eben erläutert auch der Digitale Binnenmarkt endlich konsequent verwirklicht werden, um europaweit Chancen für digitale Wirtschaftszweige zu schaffen.

Definitiv müssen wir auch nochmal an die kürzlich beschlossene Urheberrechtsreform ran. Denn die Reform in ihrer bisherigen Form schränkt nicht nur massiv die Meinungsfreiheit im Internet ein, sondern stellt leider zudem nachhaltig sicher, dass auch in den kommenden Jahrzehnten keine größere Web-Plattform in Europa entstehen wird.

Eine abschließende Frage zur „State of the Union“: Die europäische Einigung hat an Schwung verloren und an Gegnern gewonnen. Welche Reformen sind notwendig, um die Europäische Union mit neuem Leben zu füllen und die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen?

Europa braucht wieder den Mut zu echten Reformen, damit die Europäische Union für die Bürgerinnen und Bürger wieder greifbar wird. Unser langfristiges Ziel ist ein europäischer Bundesstaat. Denn nur zusammen, können die europäischen Staaten die komplexen Probleme unserer Zeit lösen und sich auf der Weltbühne behaupten. Auf dem Weg dahin muss zunächst das Parlament durch ein echtes Initiativrecht gestärkt werden. Die Kommission wollen wir hingegen verschlanken und effizienter machen. Bei alldem gilt immer: Was besser auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden kann, verbleibt auch dort. Auf EU-Ebene müssen wir die drängenden globalen Probleme unserer Zeit zum Thema machen – wie Handel, Migration und Sicherheit. Am Ende des Reformprozesses muss eine Europäische Union stehen, die ein Leuchtturm für Freiheit, Wohlstand und demokratische Werte ist.

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