Internet-Filterung kommt in den besten Familien vor

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Mike MacKenzie. Bildname: VPN & Internet Security on Your Computer for Online Privacy. Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 12.04.2013

In liberalen Demokratien wird zunehmend die Filterung von Internet-Inhalten als Mittel zur staatlichen Kontrolle des Online-Austausches von Informationen angewandt. So zumindest lautet die Leitidee eines Essays der beiden Internet-Forscher Yana Breindl und Joss Wright, welcher in Kürze auf dem Internet Policy Review veröffentlicht wird.

Der Essay, der im August 2012 in einer Arbeitsversion für den FOCI ‘12, einem angesehenen Workshop zur “freien und offenen Kommunikation im Internet”, zum ersten Mal vorgestellt wurde, rezensiert eine Vielzahl von Filtertechniken, die in westlichen Staaten zum Einsatz kommen, um den Zugriff der Bevölkerung auf bestimmte Inhalte, die als illegal oder schädlich eingeordnet sind, zu verhindern.

Dr. Yana Breindl, Forscherin am Center for Digital Humanities der Universität Göttingen, führt derzeit eine Langzeituntersuchung durch, die Internetsperren in liberalen Demokratien vergleicht. Informatik-Wissenschaftler Dr. Joss Wright hat sich am Oxford Internet Institute auf Internet-Sicherheit, Kryptographie sowie datenschutzfreundliche Technologien und anonyme Kommunikation spezialisiert.

Internet-Filterung in der europäischen Debatte

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Mike MacKenzie. Bildname: VPN & Internet Security on Your Computer for Online Privacy.
Beide Autoren argumentieren, dass die gestiegene Anwendung von Internet-Filterung durch staatliche und öffentliche Institutionen in Ländern wie Frankreich und Deutschland eine Reihe von demokratischen und ethischen Fragen hervorruft. “Die Filterung ist ein neues politisches Instrument für liberale Demokratien, und es wird zunehmend eine globale Norm für die Geltendmachung staatlicher Online-Souveränität”, erklären sie. Dies sei insbesondere in der Regulierung der Internetdiensteanbieter zu sehen, die mehr und mehr dazu aufgefordert werden, den Zugang zu bestimmten Online-Inhalten zu blockieren oder gar von ihren Services zu entfernen.

Die Untersuchung rückt aktuelle politische Debatten in Europa zur Internet-Filterung in den Vordergrund, in der sich die Argumente der Gegner (z.B. große Teile der Internetwirtschaft, Internetdiensteanbieter und Menschenrechtler) und Befürworter (z.B. Ministerien, Anti Kinderpornographie-Aktivisten) zu Internet-Sperren gegenüberstehen. Für Regierungen sind die polarisierten Positionen der einen und der anderen Seite oft schwierig zu bewerten und in Einklang zu bringen. Sie machen es derzeit schwer, wenn nicht gar unmöglich, eine nuancierte Netzpolitik zu entwickeln. “Für liberale Demokratien ist es eine Frage der Suche nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen manchmal divergierenden Prinzipien, wie die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit ohne andere demokratische Prinzipien wie Meinungsfreiheit und das Recht auf eine Privatsphäre erneut einzuschränken”, beschreiben Breindl und Wright das Problem.

Internet-Filterung: Regulieren oder Reguliert werden?

Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, das Vereinigte Königreich, Italien, die USA, Kanada und Neuseeland haben selbstregulierte Blockiersysteme eingeführt. Diese Infrastrukturen benutzen Filter-Software, die vor allem in Unternehmen und bei Internetdiensteanbietern zum Einsatz kommt und dazu dient, den Zugriff zu illegalen Inhalten, die etwa sexuellen Kindesmissbrauch zeigen, zu verhindern. Versuche, die Internet-Filterung per Gesetz einzuführen, wie in Frankreich, Deutschland und auf Europäischer Union-Ebene, sind auf starke Opposition gestoßen. In Deutschland war unter anderem die Intervention von Zivilgesellschaft im Fall des Zugangserschwerungsgesetzes erfolgreich. In Frankreich nicht.

Dieser Fall ist eins von mehreren Beispielen, welche die Autoren in der Studie aufgreifen und untersuchen. Die Gesamtbetrachtung von Für und Wider der diskutierten und zum Teil bereits implementierten Regulierungsmechanismen führt sie zu der Schlussfolgerung, dass “staatliche Regulierung zeitintensiv ist und gezeigt hat, dass es den globalen Internet-Verkehr unzureichend wirksam regulieren kann. Ihr Hauptvorteil ist jedoch den Bürgern zu ermöglichen, Aspekte der Filterung zur debattieren und sie im Sinne der Meinungsfreiheit und der Rechtsstaatlichkeit, aber auch im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, in Frage zu stellen.”

Selbstregulierungsinitiativen entziehen sich hingegen weitgehend einer öffentlichen Aufsicht, was Breindl und Wright wiederum vom Standpunkt der demokratischen Prinzipien her fragwürdig finden.

Die aktualisierte und vollständige Version der Studie wird noch im April 2013 unter policyreview.info veröffentlicht.

Die E-Plus Gruppe unterstützt das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beim Aufbau einer Plattform zu Fragen der Internet-Regulierung. Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen dieser Kooperation auf UdL Digital.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion