Interviewserie #BTW17: „Wir unterscheiden nicht zwischen Online- und Offlinewahlkampf“

Peter Tauber am 03.07.17 in Berlin im Deutschen Bundestag. / Fotograf: Tobias Koch
Veröffentlicht am 24.08.2017

Die heiße Phase des Wahlkampfs um den Bundestag hat begonnen. Die Wahlprogramme sind geschrieben, immer mehr Wahlplakate bekleiden Straßenlampen und Bäume. Offline oder Online nutzen Politiker und Kandidaten die Möglichkeit, ihre Botschaften zu verbreiten. Wie funktioniert der Online-Wahlkampf 2017? Wie stehen die Parteien zu Regulierung von Algorithmen oder Datensparsamkeit? UdL Digital hat die Wahlkampfchefs – die Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer– der aussichtsreichsten Parteien zu den Themen Internet-Wahlkampf, Demokratie im Netz und die netzpolitischen Forderungen der Parteien befragt.

Peter Tauber am 03.07.17 in Berlin im Deutschen Bundestag. / Fotograf: Tobias Koch

Der netzaffine Generalsekretär der CDU Peter Tauber sitzt seit 2009 im Deutschen Bundestag. Dort ist er derzeit Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda. Der studierte Germanist und Politikwissenschaftler aus Hessen wurde 2007 promoviert und ist außerdem Gründungsvorsitzender des Vereins für Netzpolitik CNETZ. Im Wahlkampf setzt die CDU in diesem Bundestagswahlkampf verstärkt auf die Verbindung von Online und Offline, vor allem im Haustür-Wahlkampf, wie Tauber im Interview mit UdL Digital erläutert. Der Wahlkampf-Chef der CDU spricht sich außerdem für Digitalkompetenz in der Schule und am Arbeitsplatz aus und plädiert für verantwortungsvolle Regelungen zum Datenmanagement.

Die Digitalisierung verschiedener Bereiche wie Wirtschaft, Mobilität und Verwaltung schreitet in Deutschlands Regionen sehr unterschiedlich voran. Welche Maßnahmen will ihre Partei auf Bundesebene ergreifen, um allen Menschen Teilhabe an der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen?

Wichtig ist, dass wir allen Menschen Teilhabe in einer digitalen Welt ermöglichen. Egal ob alt oder jung, reich oder arm, ob in Süd- oder Norddeutschland. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, sich selbstbestimmt in der digital geprägten Gesellschaft zurechtzufinden. Das werden wir nur mit einem Maßnahmenmix in den unterschiedlichsten Bereichen schaffen. Dazu gehören der Breitbandausbau genauso wie die digitale Bildung. Letztgenanntes ist für mich entscheidend. Denn: Moderne Bildung braucht mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen. Digitalkompetenz gehört im 21. Jahrhundert dazu. Diese muss über die reine Anwendung digitaler Techniken hinausgehen. Wichtig ist, dass wir die digitale Bildung als einen fortlaufenden Prozess verstehen, als lebensbegleitendes Lernen. Statt Angst vor Veränderungen brauchen wir Neugier auf Neues.

Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die Investitionen in Gigabitnetze in Deutschland voranzubringen? Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht Unternehmen und welche der Staat? 

Die digitale Infrastruktur ist genauso wie Straßen, Schienen und Wasserwege Lebensader unserer Wirtschaft. Deswegen schaffen wir die „Gigabit-Gesellschaft“. In Deutschland sollen Daten in Echtzeit überall und für alle verfügbar sein. Auch für alle absehbaren Anwendungen: für das Internet der Dinge, im Verkehrsbereich, in der Medizin und der Kommunikation. Hierzu werden wir den flächendeckenden Ausbau von modernsten Glasfasernetzen vorantreiben und bis 2025 realisieren. Deutschland und Europa müssen zudem Leitmarkt für den neuen 5G-Mobilfunk werden. 5G ermöglicht Datenübertragung in Echtzeit und wird damit die Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation. Bis 2020 schaffen wir die Voraussetzungen für den Ausbau und bringen ihn bis 2025 zum Abschluss. Dazu schaffen wir ein investitionsförderndes Umfeld und treiben den Glasfaserausbau zur Anbindung von 5G-Basisstationen voran. Die Erlöse aus der Vergabe der 5G-Mobilfunkfrequenzen werden wir in den Glasfaserausbau investieren.

Manche Menschen haben Angst, durch digitale Innovationen ihre Arbeit zu verlieren. Welche Perspektiven bietet Ihre Partei diesen Menschen?

Unsere Geschichte zeigt: Wann immer technischer Fortschritt Berufsbilder überflüssig gemacht hat, sind an anderer Stelle neue Arbeitsplätze entstanden – und am Ende waren wir insgesamt wohlhabender. Schon heute verändert die Digitalisierung durch Vernetzung, Robotik, künstliche Intelligenz und 3D-Druck die Arbeitswelt. Individualisierung und Automatisierung nehmen zu. Deshalb bin ich auch hier beim Thema digitale (Weiter-)Bildung. In erster Linie ist es natürlich Aufgabe der Unternehmen, Trends zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Mitarbeiter müssen befähigt werden, neue Aufgaben übernehmen zu können. Gemeinsam mit den Arbeitgebern, Gewerkschaften und den zuständigen Stellen legen wir eine „Nationale Weiterbildungsstrategie“ auf, um lebensbegleitende Qualifizierung zu unterstützen. Ich bin überzeugt: Mit gut ausgebildeten Fachkräften werden wir es schaffen, dass unsere erfolgreiche Wirtschaft auch die Geschäftsmodelle der Zukunft entwickeln und in Deutschland umsetzen kann.

Fotograf: Tobias Koch

Wie möchte Ihre Partei den Schutz der Privatsphäre im Netz sicherstellen? Plädieren Sie für Datensparsamkeit oder Datenreichtum?

Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Datensparsamkeit kann daher nicht mehr die generelle Verhaltens-Leitlinie sein. Ein alleiniger Fokus auf sie reduziert Chancen für neue Produkte, Dienstleistungen und Fortschrittsmöglichkeiten. Big Data – die Auswertung großer Datenmengen – ermöglicht unter anderem intelligente Verkehrssteuerungssysteme, effizientere Energieversorgung und eine bessere Gesundheitsversorgung. Wir brauchen also eine innovationsoffene Datenpolitik 4.0. Nur so können entsprechende Geschäftsmodelle auch in Deutschland entstehen, und zwar nach unseren Standards. Gerade vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit, beispielsweise im Vergleich zu internationalen Plattformen, die von der Erhebung und der Vernetzung leben und monopolartige Stellungen einnehmen, müssen wir unsere deutsche und europäische Positionierung stärken und ausbauen. Verantwortungsvolle Standards und Kriterien des Datenmanagements statt Datensparsamkeit – das ist kluge Datenpolitik im Sinne der Menschen.

Viele stellen sich die Frage, wie die Politik mit Algorithmen umgehen soll. Kann der Staat deren Offenlegung verlangen und wie sollen sie reguliert werden?

Algorithmen haben in der Tat einen nicht unerheblichen Einfluss auf unser digitales Leben. Deswegen ist Transparenz über den Einsatz der Algorithmen wichtig, auch die Kenntnis über wesentliche Kriterien. Die Öffentlichkeit braucht mehr und genauere Informationen darüber, wie große Plattformen Inhalte gewichten. Aber: Eine Regulierung von Suchalgorithmen zur Sicherstellung von Suchneutralität halte ich zumindest derzeit für keinen praktikablen und erforderlichen Regulierungsansatz. Jedoch dürfen Betreiber den Suchalgorithmus nicht so gestalten, dass eigene Angebote bevorzugt angezeigt werden.

Zuletzt haben wir mehrere Versuche gesehen, die großen Internet-Unternehmen zu mehr Verantwortung zu veranlassen – zum Beispiel mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Wo sehen Sie Handlungsbedarf in der nächsten Legislaturperiode?

In der Tat denke ich, dass Plattformen mehr Verantwortung übernehmen sollten. Sie verweisen auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz: De facto sind die Plattformen schon heute nach dem Telemediengesetz verpflichtet, bei Kenntnisnahme strafrechtlich relevante Inhalte zu löschen. Das passiert bei einigen Anbietern bisher unzureichend. Deswegen hat der Gesetzgeber nun mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz reagiert. Grundsätzlich ist es mir wichtig zu betonen: Wir wollen Wachstum durch Innovationen – dazu brauchen wir fairen Wettbewerb. Wir wollen gleiche Regeln für alle Anbieter auf einem Markt und in ganz Europa – egal ob neue oder klassische Telekommunikationsdienste. Hier müssen wir in der nächsten Legislaturperiode ansetzen.

Die Vorratsdatenspeicherung ist nun zum zweiten Mal aus verfassungsrechtlichen Gründen gescheitert. Ist Ihre Partei für ein drittes deutsches Gesetz dazu in der neuen Legislaturperiode?

Fakt ist: Die Vorratsdatenspeicherung ist nicht unumstritten – auch innerhalb meiner eigenen Partei. Fakt ist aber auch: Mit der Vorratsdatenspeicherung bekommen die Sicherheitsbehörden ein wichtiges weiteres Instrument an die Hand, um Straftaten aufzuklären und zu verfolgen. Die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung halten dabei auch die Vorgaben des Grundgesetzes und des Europäischen Rechts ein. Die Regelungen zur Speicherung von Daten sind klar, transparent und sehr streng, um unverhältnismäßige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte auszuschließen. So ist etwa der gesamte Email‑Bereich komplett von der Speicherung ausgenommen. Auch Inhalte von Kommunikation oder aufgerufene Internetseiten dürfen nicht gespeichert werden. Die Speicherfrist beträgt nach geltender Rechtslage maximal zehn Wochen, für Standortdaten nur vier Wochen. Diese Daten dürfen nur bei schwersten Straftaten und nach vorheriger Genehmigung durch Richter abgerufen werden.

Welche Rolle spielt der digitale Wahlkampf im Rennen um den Bundestag? Was sind die wichtigsten Tools Ihrer Partei, um Wähler zu erreichen?

Wir unterscheiden nicht zwischen Online- und Offlinewahlkampf, sondern stellen den Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern in den Vordergrund. In unserer Kommunikation nutzen wir zielgruppengerecht die passenden Ansprachewege. Das kann ein Großflächenplakat, ein Flyer am Wahlkampfstand oder auch ein Posting in einem sozialen Netzwerk sein. Im Onlinewahlkampf nutzen wir insbesondere Facebook, Twitter, Instagram und YouTube. Zentrales Element in unserer Kampagne ist der Haustürwahlkampf – also das Werben um Vertrauen im direkten Gespräch. Das ist zwar nicht neu, viele engagierte Unterstützer haben das schon in vielen Wahlkämpfen gemacht. Mit unserem Team connect17 und der dazugehörigen App haben wir den Tür-zu-Tür-Wahlkampf aber sehr gut organisiert, modern aufgestellt und viele Wahlkämpfer geschult. Das hat ja bereits bei den drei Landtagswahlen sehr erfolgreich geklappt.

Auf den Punkt gebracht: Warum sollten die digitalpolitisch Interessierten sich bei der Bundestagswahl für Ihre Partei entscheiden?

Der digitale Wandel ist inzwischen in der Gesellschaft angekommen. Ob im beruflichen oder privaten Alltag, ob alt oder jung – keiner kann sich entziehen. Und er geht mit einer Geschwindigkeit voran, die es so zuvor noch nie gegeben hat. In einer sich rasch veränderten Welt braucht es feste Überzeugungen, Stabilität und Ordnung, Maß und Mitte sowie Mut zu und Neugier auf Neues. Dafür stehen die CDU und Angela Merkel. Wir wollen, dass der digitale Fortschritt und die Innovationen im Dienste der Menschen stehen. Dass der digitale Wandel die Arbeitswelt humaner macht, die Gesundheitsvorsorge verbessert und die Lebensqualität erhöht. Wir wollen unseren Wohlstand erhalten. Wir sind davon überzeugt, dass mit der Digitalisierung enorme Chancen verbunden sind. Es geht nun darum, dass wir gemeinsam und aktiv diesen Wandel gestalten – zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion