Jahr 2018: Was ist Netzpolitik?

Foto: CC BY 2.0 Flickr User Bovee and Thill. Bildname: Business Technology. Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 28.09.2018

Unter dem Motto „inform – defend – attack“ zeigte die diesjährige „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz von netzpolitik.org wieder, wie es um die digitale Welt aus Sicht der Aktivisten und Zivilgesellschaft steht. Eins steht schon jetzt fest: Netzpolitik ist wichtiger denn je. Aber, ist die Politik auf dem richtigen Pfad oder steuern wir geradewegs in eine vom Datenkapitalismus gesteuerte Dystopie? Beides, sagt die Netzgemeinde.

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Applaus für die Arbeit der Regierung

Gefüllt mit mehreren hundert Netzaktivisten und einigen Politikern, bot die Berliner Volksbühne in diesem Jahr Raum für den digitalpolitischen Austausch. Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitk.org, eröffnete die Veranstaltung in von ihm ungewohntem Optimismus gegenüber der Arbeit der Bundesregierung:

„Die gute Nachricht ist: Digitalisierung ist für die Bundesregierung jetzt ein Thema.“

Er lobt das Engagement der Politiker, sich intensiver mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Das zeige sich vor allem in den neuen Arbeits- und Expertenkreisen – der Datenethikkommission, den Enquete-Kommissionen und dem Digitalrat. Doch das sanfte Gemüt des Netzaktivisten ist nicht von Dauer – wenn es nach Beckedahl geht, sind die politischen Bemühungen zwar erste Schritte in die richtige Richtung, aber bei Weitem noch nicht genug:

„Warum verdoppeln wir nicht das Personal der Datenschutzbehörden anstatt des Verfassungsschutzes?“

Status Quo beim Urheberrecht

Julia Reda, Mitglied der Piraten Partei im EU-Parlament, kam mit aktuellen Updates der Urheberrechtsreform im Gepäck. Die Abstimmung im EU-Parlament für den Entwurf zur Stärkung des Urheberrechts im Netz ist für sie kein Grund zur Kapitulation:

„Es wird wichtig sein, auf Deutschland und auch auf Österreich während der Trilog-Verhandlungen öffentlich Druck auszuüben.“

In dem neuen Gesetz sieht sie eine „toxische“ Gefährdung der freien Internetkultur und macht sich zum Gegenangriff bereit: Mit der Veröffentlichung inoffizieller Beschlüsse will Reda Transparenz in die anstehenden Trilog-Verhandlungen bringen:

„Ich habe Zugang zu den Dokumenten der Verhandlungen und ihr könnt sie bekommen. Ich werde sie einfach veröffentlichen, mal sehen was passiert.“

Auch der Wikimedia-Vorstand Abraham Taherivand sieht durch die Reform eine Beschneidung der Freiheit im Internet:

„Wir stehen erst am Anfang umfassender politischer Versuche, Content-Regulierung auf Plattformen mittels künstlicher “Intelligenz” zum Normalfall zu machen, wo eigentlich diffizile rechtliche Abwägungen mit Bezug zu Grundrechten vonnöten wären.“

Lasst uns Facebook verklagen!

Mit der DSGVO hat Deutschland seit Mai dieses Jahres ein umfassendes neues Werkzeug zu Durchsetzung von Bürger*innenrechte im digitalen Raum an die Hand bekommen. Max Schrems, der Jurist und Datenschutzaktivist, ist sich sicher, mit Beschwerde-Klagen gegen digitale Großkonzerne vorzugehen, wird Steine ins Rollen bringen. Mit seiner Organisation noyb setzt er sich seit diesem Jahr europaweit für die Datenschutzdurchsetzung von Nutzer*innen ein und klagt bis hohe gerichtliche Instanzen. Laut Schrems

„liege es jetzt in der Hand der Behörden und Gerichte unsere Rechte gegenüber Facebook, Google und Co. durchzusetzen.“

Wie geht es eigentlich mit e-Privacy voran?

Gar nicht, wenn es nach der Aussage von Florian Glatzner geht. Der Verbraucherschützer nennt das Problem beim Namen: Lobbyismus. Die kleine Schwester der DSGVO, die ebenfalls im Mai beschlossen werden sollte, sieht eine zusätzliche Stärkung der Verbraucherrechte in Bezug auf elektronische Kommunikation vor. Datenverarbeitungen dürften demnach nicht ohne Einverständnis weiterverarbeitet werden ebenso sollen Reglungen zur strengeren Einhaltung von Privatsphäre im Telekommunikationsbereich folgen. Während das EU-Parlament vor fast einem Jahr eine verbraucherfreundliche Position abstimmte, scheint die Lobby großer Plattformen und der Verlagsindustrie alle Arbeit geleistet zu haben, so das erwartbare Narrativ bei der Netzpolitik-Konferenz:„Das Parlament hat den Vorschlag der EU-Kommission aufgebohrt und echt datenschutzfreundliche Vorgaben hineingeschrieben, zum Beispiel zu ‚Do not Track'“, sagte Glatzner. Obwohl der Vorschlag der Kommission keine Änderung durch den Europäischen-Rat vorsah, verzichtete Österreich kurzerhand auf den entsprechenden Artikel.

„Das war ein massiver Lobby-Erfolg.“

fügt Glatzner hinzu und verweist auf eine ungewisse Zukunft in Sachen e-Privacy.

KI versus Science-Fiction

Konkrete Vorschläge zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz hatte auch Politikwissenschaftlerin Julia Krüger. In ihrem Vortrag befasste sie sich dem Themenkomplex der Regulierung von Algorithmen. Künstliche Intelligenz und Algorithmen seien kein Hypethemen mehr, sondern längst ein realistisches Instrument für eine bessere Organisation der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Daran wirkt Krüger auch selbst mit. Seit neustem arbeitet sie für eine SPD-Bundestagsabgeordnete. Dystopische Aussichten gab Tom Hillenbrand, Journalist und Science-Fiction-Autor:

„Netzpolitk und Science-Fiction haben eine große Gemeinsamkeit: Beide befassen sich mit der Zukunft.“

Letztlich müsse jeder selbst entscheiden: Happy End oder Apokalypse. Doch die Chancen stehen gut: Immerhin haben wir 2001 die „Odysee im Weltraum“ überlebt und sogar den Atomschlag von „Terminator“.

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