Koalitionsverträge NRW und S-H: Glasfaser, Start-ups und Digitale Bildung

Foto: Bildarchiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, Fotograf: Bernd Schälte
Foto: Bildarchiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, Fotograf: Bernd Schälte
Veröffentlicht am 20.06.2017

Die Digitalisierung bezeichnen beide neuen Landesregierungen in spe – die schwarz gelbe in Nordrhein-Westfalen und die schwarz-grün-gelbe in Schleswig-Holstein – als zentrale Aufgabe der neuen Legislaturperiode. In NRW soll das Kernstück der Netzpolitik eine Digitalstrategie mit einem Masterplan zum Ausbau der digitalen Infrastruktur sein und auch in Schleswig-Holstein soll die Digitale Agenda des Landes weiterentwickelt werden. Obwohl die sogenannte Jamaika- Koalition im nördlichsten Bundesland die Digitalisierung als eine Querschnittaufgabe bezeichnet – künftig soll es sogar ein Digitalkabine unter der Leitung des Energie,- Umwelt- und Digitalministers Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geben – widmet das Dreierbündnis in Schleswig-Holstein dem Thema ein eigenes Kapitel im Koalitionsvertrag. Das Zweierbündnis in Nordrhein-Westfalen hat die netzpolitischen Vorhaben größtenteils in die jeweiligen Themenkapitel eingearbeitet. Dort soll ehemalige NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie („WIDE“) leiten, berichtet die „Rheinische Post“. Auch das Bildungsressort geht an die Liberalen.

Infrastrukturausbau

Bis zum Jahr 2025 will Nordrhein-Westfalen Mehrinvestitionen von sieben Milliarden Euro in die Beschleunigung der Digitalisierung stecken, fünf Milliarden davon sollen in den Ausbau „gigabitfähiger Infrastrukturen“ fließen. Dabei wird die zukünftige Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet bei allen öffentlichen Fördermaßnahmen den „Glasfaser-first“-Ansatz verfolgen, heißt es im Koalitionsvertrag. In einem ersten Schritt sollen zunächst alle Gewerbegebiete, Schulen, Bildungseinrichtungen und Landesbehörden an das Gigabit-Netz angeschlossen werden. Auch die künftige Landesregierung in Schleswig-Holstein bekennt sich klar zum flächendeckenden Glasfaserausbau, der soll laut Koalitionsvertrag bis zum Jahr 2025 im Norden abgeschlossen sein. Dafür will die schwarz-grün-gelbe Koalition ein breites Bündnis mit Telekommunikationsunternehmen, Energieversorgern, kommunalen Spitzenverbänden und weiteren Partnern schließen. Auf Bundesebene will sich das Dreierbündnis für eine „strategische Förderung des Netzinfrastrukturwechsels“ einsetzen.

Bei der Entwicklung von 5G soll NRW gemeinsam mit der Telekommunikationswirtschaft des Bundeslandes nach dem Wunsch der zukünftigen Landesregierung eine „Führungsrolle“ einnehmen. Auch in Schleswig-Holstein sieht man als Flächenland gute Chancen, zu einer „Modellregion“ zu werden. Insgesamt sollen im nördlichsten Bundesland laut Koalitionsvertrag 50 Millionen Euro an Landesmitteln investiert werden, um die digitale Infrastruktur zu stärken. In NRW sollen allein in den neuen Förderfonds „K400 – Kommunal wird digital“ 100 Millionen Euro fließen. Auch die Verfügbarkeit offener WLAN-Zugänge soll ausgebaut werden: Alle Landesbehörden sollen ein entsprechendes Angebot bereitstellen. In Schleswig-Holstein soll sogar jedes mit Internet versorgte öffentliche Gebäude einen offenen WLAN- Zugang zur Verfügung stellen.

Digitalisierung der Wirtschaft

Foto: Bildarchiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, Fotograf: Bernd Schälte

Bei der Digitalisierung der Wirtschaft wollen beide Landesregierungen die Rahmenbedingungen für Start-ups verbessern, legen darüber hinaus aber unterschiedliche Schwerpunkte. Während in NRW die größten Chancen in der Verbindung von Digitalisierung und industrieller Produktion, z.B. in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik und Automobilbau gesehen werden, soll die Digitalisierung in Schleswig-Holstein in erster Linie die Lebens- und Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum verbessern. Neben der zunehmenden Digitalisierung der Landwirtschaft und des Energiesektors wird hier der ländliche Raum als An-siedlungsgebiet für Start-ups und Kreative betrachtet, was von der Landesregierung entsprechend gefördert werden soll. Sie will außerdem eine Landesstrategie Digitale Wirtschaft entwickeln.

Die Einheitliche Ansprechpartner für Start-ups sollen in beiden Bundesländern etabliert werden. NRW will darüber hinaus sechs „Exzellenz-Start-up-Center“ einrichten und das „Gründer-Stipendium NRW“ einführen, das 1.000 Euro im Monat betragen soll. Beide Bundesländer wollen die bürokratischen Anforderungen an die jungen Gründer im ersten Jahr auf ein Minimum reduzieren. Zu der neuen „Gründerzeit“, die Schwarz-Gelb in NRW befördern will, gehört außerdem sogenannte „Testelder für Transformation“ („Regulatory Sandboxes“), in denen neue Entwicklungen beispielsweise in den Bereichen Online-Handel, Drohnenflug und autonomen Fahren erprobt werden können.

Digitale Bildung

Bei der digitalen Bildung wollen beide zukünftigen Landesregierungen in den nächsten fünf Jahren weiter vorankommen. Die Anpassung der Lehrpläne, die entsprechende Schulung der Lehrkräfte und die Schaffung der digitalen Infrastruktur an den Bildungseinrichtungen werden in beiden Koalitionsverträgen genannt. Den Umgang mit digitalen Medien, Informatik und Grundkenntnisse im Programmieren sollen die Kinder künftig in beiden Bundesländern erlernen. Einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen NRW und SH allerdings bei den digitalen Geräten, die im Unterricht verwendet werden sollen. Während Schwarz-Gelb in NRW dafür sorgen will, dass in den Schulen „Endgeräte im notwendigen Umfang“ zur Verfügung stehen, setzt Schwarz- Grün-Gelb in Schleswig-Holstein in erster Linie darauf, dass Schüler ihre eigenen Endgeräte nutzen. Dabei soll die Anschaffung durch Standardisierung vereinfacht und in bestimmten Fällen bezuschusst werden. Die Schulen sollen außerdem von zentraler Stelle bei der Entwicklung von Medienplänen, der Organisation des Betriebs und der Wartung ihrer IT-Ausstattung beraten und unterstützt werden, damit Lehrer von diesen Aufgaben entlastet werden können.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoringauf UdL Digital. Nadine Brockmann ist Analystin für Verkehrs- und Netzpolitik.

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