Sascha Lobo auf der #rp14: Die Hobby-Lobby wird ernsthaft

Veröffentlicht am 09.05.2014

Eigentlich lässt sich die Netzgemeinde – sofern sie als solche existiert – nichts gefallen. Einmal im Jahr jedoch lassen sie sich gemeinschaftlich beschimpfen und brechen darüber sogar in Jubel aus. Sascha Lobo ist wohl derzeit der einzige, der so mit seinem Publikum reden darf – in seiner traditionellen Rede auf der Internetkonferenz re:publica, die vom 6. bis 8. Mai in Berlin stattfand.

Tradition ist auch sein Start-Rant auf das Publikum. Er wirft seinen Zuhörern Versagen vor, was die finanzielle Unterstützung der wenigen Engagierten betrifft, die für die Freiheit des Netzes hart arbeiten. „Ihr tut so, als sei euch Netzpolitik wichtig, aber ihr handelt nicht danach!“, bringt er seine Kritik auf den Punkt und der vollgepackte Saal schweigt betroffen. Eindringlich stellt er die lange Timeline der Ereignisse der Überwachung vor und empört sich darüber, dass niemand sein Verhalten geändert oder sonstige Maßnahmen unternommen habe, und dass nach so vielen Monaten alle des Protestierens müde geworden seien. Das sehen sicher nicht alle Anwesenden so, denn schließlich ist die Nachfrage nach Verschlüsselungstechniken seit den Snowden-Enthüllungen stark angestiegen, berichten Aktivisten und die Betreiber von entsprechenden Projektwebseiten.

Die kleinen Schritte der Politik

An seine Publikumsbeschimpfung schließt Sascha Lobo sein Bundesregierungsrant an. „Ich bin sauer und ihr solltet es auch sein!“, ruft er und wirft der Bundesregierung Heuchelei und Nichtaufklärung vor. Seiner Meinung nach ist die Diskussion um die Person Snowden eine Ablenkung, denn es gehe vielmehr um die Funktion von Snowden. Ist das alles noch Demokratie, fragt er sich und zweifelt daran, dass die Bundeskanzlerin „zur Einsicht“ kommen wird – ohne genau zu sagen, welche Einsicht das sein könnte. Daher ist der „Marsch in die Institutionen“ für ihn „alternativlos“, denn die Zivilgesellschaft müsse mehr Präsenz zeigen. Doch ohne die Politik geht es nicht, stellt er fest und plädiert für einen neuen Internetoptimismus, der identisch mit Gesellschaftsoptimismus sein soll.

Die richtigen Worte zur richtigen Zeit

Sascha Lobo gehört zu den wenigen Aktivisten, die tatsächlich gut mit Worten umgehen können und er ist der einzige, der am laufenden Band so viele neue Worte erfindet, die immer punktgenau das richtige Gefühl ausdrücken. Es geht nicht mehr um Internetüberwachung, es geht um Weltüberwachung mit dem Internet, stellt er die Dimension klar. Besonders viel Applaus erhalten seine Ideen für neue Begrifflichkeiten, die die Netzgemeinde ab sofort flächendeckend nutzen soll, um die Gegner und ihre Motivation ideologisch zu „brandmarken“. Die Gegner sind übrigens Überwacher und Spähradikale und ihre Motive sind Kontrollsucht und Spähfanatismus. Auch ein paar Adjektive sollen klären, wie er die Befürworter von Überwachung einordnet, nämlich als grundrechtsfeindlich, antidemokratisch und sicherheitsfeindlich. Das große Highlight war seine Erfindung der Sicherheitsesoterik. Eine klare Definition von Esoterik gibt es nicht, doch im Verständnis vieler Menschen klingt es nach Magie, Spinnerei oder bloßer Einbildung. Sicherheit durch Überwachung ist eine Illusion, will Lobo damit wohl verdeutlichen.

Ein Aufruf zur Veränderung

Es ist kaum zu glauben, dass sie noch frei waren, doch er hat sie entdeckt und gekauft: Die beiden Domains netzgemeinde.de und internetministerium.de stehen zu seiner Verfügung. Zurzeit führen beide Domains auf seine eigene Website. Doch die Warnung steht im Raum: Wenn die Netzgemeinde ihr Verhalten nicht bald ändert, droht Sascha Lobo dort im Namen aller zu schreiben und die Rolle des Botschafters, des Übersetzers und des Sprechers zu übernehmen. Dabei ist er das doch schon längst.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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