Simon Schaefer: „Was man sich in den Kopf setzt, kann man auch machen“

Veröffentlicht am 22.04.2013

„Bremst unser Rechtssystem deutsche Startups aus?“ lautet das Thema unseres nächsten UdL Digital Talks am kommenden Mittwoch. Neben der deutschen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wird Simon Schaefer, Investor und Gründer der Factory, unser Diskutant auf dem Podium sein. Wir haben im Vorfeld mit ihm über den Wirtschaftsstandort Deutschland und die hiesige Rechtslage gesprochen.

Europa als Zielmarkt

UdL Digital: Oft werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland kritisiert. Wie aber sind die juristischen Voraussetzungen im internationalen Vergleich, um ein Unternehmen zu gründen?

Simon Schaefer
Simon Schaefer, Foto: Jakob Hoff

Simon Schaefer: Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass es in einigen europäischen Ländern, zum Beispiel in Italien, komplizierter ist, ein Unternehmen zu gründen, als in Deutschland. Die skandinavischen Länder hingegen machen es Gründern leichter. In einem Gründerfreundlichkeits-Ranking vom letzten Jahr landet Deutschland im internationalen Vergleich auf dem 23. Platz  – immerhin. Die zentrale Herausforderung ist aber meiner Meinung nach nicht, Deutschland allein gründerfreundlicher zu machen (hier gibt es sicherlich auch Stellschrauben wie Vorsteuer, die Rolle der IHK usw.) sondern europaweite Regularien zu finden, die es ermöglichen, Europa als einen Zielmarkt zu begreifen. Die vielen verschiedenen Gesetzgebungen zu Themen wie Urheberrecht, Medienrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht führen zu einer Fragmentierung der digitalen Ökonomie in Europa. Ein Roll-out in den USA ist einfach. Ein Roll-out in Europa kann sich über Jahre hinziehen, siehe zB. Spotify.

Internet basiert auf Freiheit

UdL Digital: Wie hast Du die Diskussion um das Leistungsschutzrecht wahrgenommen? Wirkte sich das wirklich bedrohlich für die digitale Wirtschaft aus, wie es immer wieder kolportiert wurde.

Simon Schaefer: Ich konnte die Diskussion einfach grundsätzlich nicht nachvollziehen. Google hat ein mächtiges Ökosystem geschaffen, und klar profitieren sie selbst davon am meisten. Aber ohne Google wäre es gar nicht erst so weit gekommen, dass Publizisten signifikanten Traffic auf ihren Online-Inhalten haben. Aus meiner Sicht, hätte diese ganze Debatte den Nutzer ins Zentrum rücken müssen, ob der Schnipsel nun am besten so lang oder so lang ist, ist am Schluss eine UX Frage. Niemand liest einen halben Artikel auf der Google-Ergebnisseite und klickt dann nicht weiter.

Und ja, ich finde es definitiv bedrohlich für die digitale Wirtschaft, wenn einzelne Länder anfangen, Teile des Netzes zu regulieren um einzelne Interessensgruppen zu befriedigen. Daraus können sich heftige Wettbewerbsnachteile für Unternehmen in dem jeweiligen Land  ergeben.

Die ganze Internetökonomie basiert doch letztlich darauf, dass das Netz global und frei ist. In dem Moment, in dem juristische Rahmenkonstrukte anfangen hier und da Splitterregelungen zuzulassen, werden diese Prinzipien gefährdet. Wohin das führen kann, sehen wir an krassen Beispielen wie China oder den vereinigten arabischen Emiraten.

Das Schlimmste wurde verhindert

UdL Digital: Das so genannte Anti Angel-Gesetz führte zu einem Aufschrei aus der sonst so ruhigen Investoren-Szene. Hat sich das Problem mittlerweile gelöst?

Simon Schaefer: Gelöst wäre zu viel gesagt, aber das Schlimmste wurde verhindert. Veräußerungsgewinne aus Unternehmensanteilen von weniger als zehn Prozent sollen vorerst steuerfrei bleiben, Streubesitzdividenden werden besteuert.

Das Vorhaben hat zum ersten Mal die Startup und Investorenszene in Deutschland geeint, denn schauen wir uns doch die Internetwirtschaft mal an: Die Leute, die hier Geld verdienen, reinvestieren diese Gewinne wieder in neue Ventures. Das ist der Motor der ganzen Industrie. Wer den drosselt, behindert das Entstehen eines neuen, zukunftsfähigen Mittelstandes, der sich weg von einer produzierenden Gesellschaft, hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft bewegt – die nächste Generation.

Wir brauchen ein anderes Arbeitsrecht

UdL Digital: Du betreust als Investor und auch mit der Factory viele Startups. Welche gesetzlichen Bestimmungen stellen sich vor allem für sie als Hindernis dar?

Simon Schaefer: Das Arbeitsrecht stellt für viele ein Problem dar. Startups brauchen die Flexibilität, schnell zu wachsen, müssen sich aber auch genauso schnell gesund schrumpfen können. Zwar darf in Festanstellungen theoretisch eine Probezeit von zwei Jahren angewendet werden, das ist aber in der Realität nicht umsetzbar, da Unternehmen im Kampf um die besten Talente auch die kurze Probezeit als Mittel einsetzen müssen, um attraktiv zu sein.

Internetstartups bewegen sich in viel dynamischeren Märkten als klassische KMUs im produzierenden Gewerbe, für die das Arbeitsrecht zu funktionieren scheint. Es ist schwer, da eine Trennlinie zu ziehen, aber dennoch ist klar: Die meisten Unternehmen, mit denen ich arbeite, bräuchten eine andere Lösung.

Ihre Mitarbeiter sind meist hochqualifiziert und oft auch selbst mit flexiblen Lösungen einverstanden. Das hat in der Realität oft die Konsequenz, dass sie als Freelancer arbeiten.

Ein anderes Thema, mit dem es Startups in Deutschland schwerer haben als anderswo ist Datenschutz. Und verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde Datenschutz wichtig. Aber deutsche Debatten wie die um Google Streetview haben gezeigt, dass an vielen Stellen eine unverhältnismäßige politische und mediale Panik gemacht wird. Für manche Unternehmen bedeutet diese Sensibilität der Deutschen eine Wachstumsbremse. Diese gehen dann mit ihrem Geschäft woanders hin.

UdL Digital: Wenn es um das Internet geht und darum, dass einige rechtlichen Bedingungen nicht dem Optimum entsprechen, heißt es immer wieder, dass es eine supranationale Regelung braucht. Wie realistisch siehst Du so ein Vorhaben?

Simon Schaefer: Da stimme ich voll und ganz zu, wie eben schon erwähnt. Ich sehe das als Unternehmer. Was man sich in den Kopf setzt, kann man auch machen. Darum gibt es überhaupt heute ein Europa. Jeder, der in der Lage ist, Hebel zu betätigen, muss so denken: Ich machs.

Wer das nicht so sieht sollte nicht in der Politik oder Wirtschaft aktiv sein. Die digitale Agenda hat viele wichtige Themen angestoßen. Jetzt brauchen diese Themen in jedem europäischen Land eine höhere Priorität.

Es ist noch viel zu tun

UdL Digital: Abschließend: Ist Deutschland ein gründerfreundliches Land?

Simon Schaefer: Ja. Historisch betrachtet muss man das so sehen, sonst hätten wir keinen deutschen Mittelstand und wären im internationalen Vergleich nicht so stark. Die Rahmenparameter sind gut: Wir profitieren zum Beispiel von einer zentraleuropäischen Lage, sehr guten Bildungsmöglichkeiten und einer intellektuellen Tradition.

Aber es gibt noch viel zu tun um Deutschland auch „von innen heraus“ gründerfreundlich zu machen, also Menschen zu ermutigen, ihr eigenes Business zu gründen. Ansetzen müsste man bereits in der Schule. In den USA halten schon die jüngsten Schulkinder wöchentlich Präsentationen. Die können mit 16 perfekt pitchen, daneben sehen viele deutsche Erwachsene blass aus.

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