Studie zur Kommentarfunktion: So bändigen Medien ihre Leser

Veröffentlicht am 19.05.2017

Über die Fallstricke und das nötige Fingerspitzengefühl im Umgang mit Fake News und Hasskommentaren wird derzeit nicht nur bei UdL Digital angeregt diskutiert. Die Aufmerksamkeit liegt derzeit auf den Betreibern sozialer Netzwerke und der politischen Regulierung. Für die klassischen Medien ist der Umgang mit Kommentaren und Dialogen im Netz aber schon lange ein Thema. Nahezu jedes Online-Medium bietet Lesern die Möglichkeit, eigene Kommentare abzugeben und sich so am öffentlichen Diskurs zu beteiligen. Viele Zeitungen haben zudem eine Präsenz auf Facebook oder Twitter – auf denen auchArtikel kommentiert und diskutiert werden können.

Die umfangreiche Studie „#wortgewalt(ig): Leser_innen- und Nutzer_innen-Kommentare in Medienöffentlichkeiten“ von der Friedrich Ebert Stiftung geht der Frage nach, wie Medien mit ihren Lesern im Netz umgehen. Zum einen steigt die Bedeutung des Dialogs mit Lesern im Netz und des Open Journalism, auf der anderen Seite müssen einige Dinge beachtet werden: Trolle, Bots und Hate Speech sind hierfür ebenso Stichworte wiemangelnde Betreuungsressourcen, unzureichende Softwaregestaltung und fehlende Moderationspraktiken.

Hasskommentare und die Kunst der Diskussion

Waren zu Beginn meist die Journalisten selbst für die Betreuung ihrer Leser im Netz zuständig, haben die großen Zeitungen mittlerweile Moderatoren. Sie regeln die Präsenz, den Umgang mit den Lesern im Netz und haben zudem mehr Abstand zu den Texten als die Journalisten. Bei dem britischen The Guardian beispielsweise wird der Journalist eingeschaltet, wenn der Artikel mehr als 50 Kommentare hat – denn das Fachwissen zu allen Themen hat der Moderator nicht. Auch im Umgang mit Hasskommentaren hängt vieles von den Moderatoren ab, stellt die Studie fest – und vor allem mit Zeit und Gelassenheit.

Eine wichtige Funktion im Umgang mit Hasskommentaren hat auch der Melde-Button, mit dem Nutzer selbst Nachrichten auffällige Wortmeldungen kennzeichnen können und die Moderation den Post im Notfall löschen kann. Hilfreich ist dabei, wenn anschließend Begründungen für Sperrungen oder Löschungen im Kommentarraum mitgeteilt werden. Moderatoren können in solchen Fällen auch auf vorher festgelegte Netiquetten verweisen. Außerdem gehört Counterspeech zu den bewährten Moderationstechniken, wie die Autoren der Studie schreiben. Hierbei meldet sich die Moderation selbst zu Wort und animiert dadurch auch andere Nutzer, sich gegen Hasskommentare zur Wehr zu setzen. Viele Moderatoren oder Redakteure greifen auch zu dem inzwischen bewährten Stilmittel der Ironie und des Humors, um auf unnagemessene Kommentare zu reagieren.

Kommentarmöglichkeiten begrenzen

Um die Kommentarflut einzugrenzen, sind mittlerweile viele Medien dazu übergegangen, dass sich Leser zunächst mit ihrem Namen und ihrer E-Mail-Adresse registrieren müssen, bevor sie einen Artikel kommentieren können. Der „2016 Global Report on Online Commenting“ von der World Association of Newspapers and News Publishers hat darüber hinaus herausgefunden, dass weltweit immer mehr Online-Medien ihre Kommentarfunktionen abschalten, weil sie Hasskommentare nicht unterbinden oder betreuen konnten oder die Bearbeitung als zu ressourcenintensiv einschätzen. Auch die Süddeutsche Zeitung schaltete vor ein paar Jahren über Nacht ihre Kommentarspalten ab. Nur drei Themen dürfen pro Tag kommentiert werden, alle anderen wurden auf Facebook ausgelagert. Daniel Wüllner, Teamleiter Social Media und Leserdialogder SZ, erklärt, warum die Zeitung sich für diese Variante entschieden hat:

„Für uns war die Ukraine-Krise im Sommer 2014 ein ausschlaggebender Punkt. Bei der Süddeutschen Zeitung wird ein Thema in mehreren Artikeln aufbereitet. (…) Zu all diesen Artikeln konnten die Leser Kommentare abgeben. Unsere Moderatoren haben bemerkt, dass hier häufig parallel kommentiert wird und Stränge von Diskussionenohne gegenseitigen Bezug stattfinden.Da kommunizieren Leser nicht miteinander,sie kommunizieren aneinander vorbei. Deshalbwar es für uns wichtig, die wichtigen Themendes Tages – wir haben jetzt drei daraus gemacht– in unserem neuen Modell zu bündeln.“

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