Studie: Bertelsmann-Stiftung beziffert Digitalisierungskosten für Schulen

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Omran Jamal. Bildname: Connected. Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 07.11.2017
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Foto: CC-By 2.0 Flickr User Omran Jamal. Bildname: Connected.

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hat berechnet, welche Kosten auf die Kommunen bei der Digitalisierung der Schulen in Deutschland zukommen. Das Fazit: Die im Rahmen des Digitalpaktes diskutierten fünf Milliarden Euro, die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) für die kommenden fünf Jahre zur Unterstützung der Länder und Kommunen in Aussicht gestellt hat, reichen nicht aus. Statt einer Milliarde pro Jahr seien vielmehr jährlich 2,8 Milliarden Euro an Investitionen nötig – und der Anschluss der Schulen an das Breitbandnetz ist in diese Kalkulation noch nicht mit eingerechnet. Mit der Studie legt die Bertelmann-Stiftung erstmals ein noch fehlendes Puzzleteil in der Diskussion um den Digitalpakt zwischen Bund und Ländern vor: eine Einschätzung der zu bewältigenden Kosten. In den Papieren aus den Sondierungsrunden wird der Digitalpakt bislang nicht erwähnt.

Kosten für die IT-Infrastruktur

Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat das Institut für Informationsmanagament der Universität Bremen (ifib) berechnet, was es kosten würde, eine idealtypische Grundschule sowie eine idealtypische weiterführende Schule mit angemessener IT-Infrastruktur auszurüsten. Der jährliche Investitionsbedarf bei Grundschulen beziffert sich auf rund 46.000 Euro (261 Euro pro Schüler), bei weiterführenden Schulen auf rund 302.000 Euro (402 Euro pro Schüler). Insgesamt ergibt sich damit ein jährlicher Investitionsbedarf von 2,8 Milliarden Euro in Deutschland – weitaus mehr als der Bund im Rahmen der Verhandlungen zum Digitalpakt zugesagt hat, nämlich eine Milliarde Euro im Jahr.

Zu der „lernförderlichen IT-Infrastruktur“ zählt die Bertelsmann-Stiftung:

  • Endgeräte (mobil und stationär),
  • Präsentationstechnik und Peripherie,
  • Internetzugang (Bandbreite abhängig von der Zahl der Endgeräte),
  • LAN (bei mobilen Endgeräten auch WLAN),
  • zentrale Dienste (Identitätsmanagementsystem, Dateiablage, Kommunikationsmittel, Lernplattform),
  • Software- und Medienlizenzen,
  • Prozesse für (Bedarfs-)Planung, Umsetzung und Steuerung,
  • technischer Betrieb und Support
  • sowie pädagogische Unterstützung.

Der Großteil der Kosten fällt auf die Endgeräte (800 Millionen Euro pro Jahr auf fünf Jahre gerechnet). Für deren Finanzierung schlägt das Autorenteam unterschiedliche Modelle vor, bei denen die Eltern auf unterschiedliche Art beteiligt werden.

Die Kosten für den Anschluss der Schulen an das Breitbandnetz, die aufgrund der höchst unterschiedlichen regionalen Voraussetzungen nicht ermittelbar waren, sind nicht in die Kostenrechnung miteingeflossen. Der Bund hatte aber vorgesehen, mit den fünf Milliarden auch Netzanschlüsse zu fördern, sodass die Diskrepanz zwischen den zugesagten Mitteln und den errechneten Kosten noch größer sein könnte. Zwar schätzen die Autoren der Studie, dass 20 bis 50 Prozent der Gesamtkosten bereits jetzt von den Kommunen aufgebracht werden, die Bertelsmann-Stiftung geht jedoch insgesamt trotzdem von erheblichem Mehrbedarf an Investitionen aus, den Kommunen und Länder nicht alleine stemmen können.

Aufforderung an den Bund

Implizit geht die Studie davon aus, dass die Zusagen der Bundesbildungsministerin, fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt aus dem Bundeshaushalt beizusteuern, nicht eingehalten werden. Die Handlungsaufforderung ist deswegen vor allem an den Bund gerichtet:

„Erforderlich ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Kommunen und Ländern, die durch eine Beteiligung des Bundes unterstützt werden muss. Ein Einstieg des Bundes würde insbesondere die Kosten bei den Kommunen für die Basisinfrastruktur reduzieren. Wichtig ist es, die Kosten langfristig zu betrachten und nicht den Fehler der Vergangenheit zu begehen, Investitionen zu tätigen und die dauerhaft anfallenden Folgekosten nicht zu beachten.“

Zukunft des Digitalpakts

Die Zusage der Länder, ihren Teil zum Digitalpakt Schule beizusteuern, scheint ungebrochen – auch wenn die Länder selbst noch entsprechende Mittel in ihren Haushalten festschreiben müssen. In der Runde der Ministerpräsidenten bekräftigten sie am 20. Oktober erneut ihre Bereitschaft.

„Wir erwarten, dass die Gespräche über den Digitalpakt zügig abgeschlossen werden und dass der Bund schon 2018 Mittel für eine bessere Ausstattung unserer Schulen zur Verfügung stellt. Das ist unsere gemeinsame Forderung an die neue Bundesregierung,“

fasste Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zusammen. Von einem zügigen Abschluss kann derzeit keine Rede sein. Die Bund-Länder-Verhandlungen auf Staatssekretärsebene sind für die Dauer der Koalitionsverhandlungen ausgesetzt. Das teilte das baden-württembergische Kultusministerium dem Tagesspiegel Politikmonitoring mit. Ein weiteres Treffen werde erst „sehr zeitnah nach Abschluss der Regierungsbildung“ stattfinden.

Von den Jamaika-Sondierern in Berlin gibt es derzeit noch keine Aussage zur Zukunft des Digitalpakts. Den Aussagen der Parteien im Wahlkampf nach zu urteilen, müsste es bei dem Thema Digitalpakt weitestgehend den Konsens geben, dass die vom Bund zugesagten Mittel im nächsten Haushalt festgeschrieben werden müssen und die Bund-Länder-Vereinbarung Ende 2017 finalisiert werden soll. Doch weder das aktuelle Papier zum Sondierungsstand beim Thema Digitalisierung noch das zu Finanzen erwähnen das Mammutprojekt überhaupt. Grundsätzlich stellen die Sondierungsbeteiligten beim Thema Digitalisierung zwar die größten Schnittmengen fest – die Grünen stellen sogar eine „Koalition der digitalen Chancen“ in Aussicht – FDP-Unterhändler Marco Buschmann sieht im Gegensatz dazu „keinen echten Konsens“ bei der Bildung. Das Bildungspapier der Sondierer vom 30. Oktober nennt den Digitalpakt ebenfalls nicht, allenfalls wird auf das Kooperationsverbot in der Bildung als grundsätzliches Problem der Bund-Länder-Beziehungen aufgegriffen.

„Alle wollen mehr Geld investieren. Das aber kann nur vom Bund kommen, für den ein verfassungsrechtliches Kooperationsverbot mit den Ländern gilt. Wie dieses entscheidende Hindernis zu beseitigen ist, ist völlig offen,“ so Buschmann am 4. November.

Die Abschaffung des Kooperationsverbots wäre in jedem Fall mit einer Grundgesetzänderung verbunden.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch schreibt über Netzpolitik und beobachtet die Landespolitik. 

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