Versorgungsauflagen für den Mobilfunkausbau: Realistische Ziele statt unverhältnismäßige Forderungen

Foto: Karsten Pawlik
Foto: Karsten Pawlik
Veröffentlicht am 24.08.2018

Der Beirat der Bundesnetzagentur hat mit einem Beschluss im Juni 2018 Forderungen für die Ausgestaltung von Versorgungsauflagen im Rahmen der Vergabe von Frequenznutzungsrechten bei 2 GHz und 3,6 GHz für den Mobilfunk aufgestellt. Der Beirat leitet diese Forderungen einerseits aus einer Bestandsanalyse der bisherigen Netzversorgung in Deutschland ab, die auf veralteten Daten des BMVI-Breitbandatlas aus dem ersten Halbjahr 2017 basiert, und beruft sich andererseits auf politische Vereinbarungen, welche im Rahmen des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD auf Bundesebene getroffen wurden. Telefónica hat eine technische, ökonomische und rechtliche Bewertung der Forderungen vorgenommen.

Forderungen des Beirats technisch nahezu unmöglich

Um die technischen Implikationen der vom Beirat geforderten Versorgungsauflagen zu ermitteln und den für die Erfüllung erforderlichen finanziellen Aufwand zu beziffern, hat Telefónica näherungsweise Berechnungen vorgenommen. Dabei wurde auch eine Realisierung mit Frequenzbändern unterhalb von 1 GHz in Betracht gezogen (sog. Flächenfrequenzen), um eine höchstmögliche Effizienz des berechneten Netzwerks zu erzielen. Diese Frequenzen sind allerdings nicht Gegenstand des aktuellen Vergabeverfahrens. Da in den Bereichen 700 MHz und 800 MHz zudem nur insgesamt 2×20 MHz pro Netzbetreiber in Deutschland zur Verfügung stehen und eine physikalische Abhängigkeit zwischen erreichbarer Datenrate und verfügbarer Spektrumsmenge besteht, müssen zur Erreichung von Bandbreiten über 100 Mbit/s zwingend Frequenzen aus dem 3,6 GHz Spektrum zum Einsatz kommen. Aufgrund der schlechteren Ausbreitungseigenschaften dieser Frequenzen werden bei deren Verwendung jedoch deutlich mehr Standorte benötigt als beim Einsatz von langwelligen Flächenfrequenzen.
Zur Erreichung einer Versorgung von 98 % der Haushalte mit mindestens 300 Mbit/s sowie für die vom Beirat skizzierte 5G Versorgung von Straßen und Bahnstrecken mit 5G wäre daher jeweils der Bau einer signifikanten Zahl neuer Mobilfunkstandorte (Masten mit Strom, Glasfaseranbindung und entsprechenden Sendeanlagen) erforderlich. Im Ergebnis würde die Erfüllung der vom Beirat skizzierten Versorgungsauflagen im Netz von Telefónica mindestens zu erforderlichen Investitionen von rund 76 Mrd. € sowie der Bau von über 200.000 neuen Mobilfunkstandorten führen. (Zum Vergleich: Telefónica strebt im Rahmen der Netzkonsolidierung von o2 und E-Plus ein Zielnetz mit ca. 25.000 Standorten in Deutschland an, mit dem die aktuellen Versorgungsauflagen aus dem Jahr 2015 mittelfristig sogar übertroffen werden können)
Die Ergebnisse zeigen, dass die Erwartungen des Beirats unrealistisch sind. Neben einer ökonomischen und rechtlichen Bewertung stellt sich die Frage, ob es einen gesellschaftlichen Konsens und eine Unterstützung der Bürger und Kommunen in Deutschland für das Vorhaben gäbe, bundesweit pro Netzbetreiber über 200.000 neue Mobilfunkmasten zu errichten. Dies ist in Anbetracht der vielerorts nach wie vor vorhandenen Skepsis gegenüber Mobilfunkmasten zumindest fraglich.

Versorgungsauflagen müssen ökonomisch zumutbar sein

Bereits die oben erläuterten technischen Erwägungen machen deutlich, dass die vom Beirat geforderten Versorgungsauflagen unverhältnismäßig sind. Die vorgeschlagenen Versorgungsauflagen stehen zudem in krassem Widerspruch zur Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik. Da sie weitestreichende Versorgungspflichten vorsehen, gibt es faktisch keine unternehmerischen Entscheidungsspielräume mehr. Der derzeit vitale Infrastrukturwettbewerb im Mobilfunk käme zum Erliegen und würde durch staatliche Vorgaben in eine Planwirtschaft überführt. Dies hätte auch zur Folge, dass der Wettbewerb unterschiedlicher Geschäftsmodelle und stark differenzierter Tarife außer Kraft gesetzt würde. Ein Resultat der Auflagen wären massiv steigende Endkundenpreise und eine deutlich geringere Produktvielfalt auf dem Markt.

Diskutierte Auflagen wären rechtlich unzulässig

Die diskutierten Versorgungsauflagen sind auch aus rechtlicher Perspektive in keiner Weise haltbar, denn die hier beschriebenen technischen und wirtschaftlichen Erwägungen lassen keinerlei Zweifel zu, dass solche Auflagen einem privatwirtschaftlichen, in Deutschland tätigen Netzbetreiber nicht zumutbar wären. Auch die Bundesnetzagentur hat im aktuell laufenden Vergabeverfahren dem Beirat Abwägungsgrundsätze erläutert, wonach Versorgungsauflagen unter anderem dann unverhältnismäßig sein könnten, wenn sie einen Netzbetreiber zu defizitären Investitionen zwingen, die privatwirtschaftliche Entscheidungsbefugnis auf null reduzieren oder einem faktischen Universaldienst entsprechen.
Telefónica vertritt die Ansicht, dass Deutschland es sich nicht leisten kann, entscheidende Jahre beim Ausbau der Mobilfunknetze zu verlieren, weil strittige Versorgungsauflagen von Gerichten überprüft werden müssen. Daher wird es in den kommenden Wochen entscheidend sein, dass Beirat und Behörde mit Augenmaß und unter Beteiligung des Marktes agieren. Wie schon bei der Definition der Versorgungsauflagen im Jahr 2015, ist ein enger Austausch zwischen Beirat und Mobilfunknetzbetreibern dringend erforderlich, um die technische und ökonomische Machbarkeit von Versorgungszielen sicherzustellen.

Fortentwicklung der Mobilfunknetze ist gemeinsames Ziel von Politik und Netzbetreibern

Telefónica teilt die Einschätzung des Beirats der Bundesnetzagentur und weiter Teile der Politik, dass die Fortentwicklung der Mobilfunkinfrastruktur in Deutschland von hoher gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung für Deutschland ist. Es ist auch unstrittig, dass die politische Erwartungshaltung an den weiteren Ausbau digitaler Infrastruktur bestmöglich erfüllt werden muss. Daher muss es das Ziel aller beteiligten Akteure sein Wege für eine machbare Weiterentwicklung der Netzversorgung zu suchen. In diesem Sinne bringt sich Telefónica aktiv seit mehr als einem Jahr in die Diskussion mit dem Beirat, der Bundesnetzagentur, den Ländern und der Bundesregierung ein. Aus Sicht von Telefónica wäre es dabei die deutlich zu bevorzugende Lösung gewesen, über die rechtlich zulässigen Wege der Ausschreibung oder Verlängerung Frequenznutzungsrechte günstig dem Markt zur Verfügung zu stellen, anstatt durch die Anordnung einer Auktion einen massiven Abfluss von Investitionsmitteln zu riskieren.
Bundesminister Scheuer hat es durch anspruchsvolle Verhandlungen dennoch geschafft, mit der Erklärung zum Mobilfunkgipfel vom 12. Juli eine neue Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Mobilfunknetzbetreibern zu starten, damit die weißen Flecken in den Mobilfunknetzen perspektivisch der Vergangenheit angehören. Die Erschließung dieser Versorgungslücken im Mobilfunk wird die Branche mehrere Milliarden Euro kosten. Bund und Länder haben erkannt, dass sie die privaten Mobilfunknetzbetreiber bei der Kraftanstrengung zur Erreichung des politischen Ziels eines Lückenschlusses nicht alleine lassen dürfen. Auf dem Mobilfunkgipfel wurde das klare Signal gesetzt, dass Bund und Länder verbesserte, investitionsfreundliche Rahmenbedingungen für Mobilfunk schaffen, durch Ratenzahlung und Zahlung ab Verfügbarkeit die finanziellen Belastungen der Netzbetreiber durch Frequenzkosten senken und durch die Erwägung eines Förderprogramms auch den Ausbau für das letzte Prozent Haushaltsabdeckung möglich machen wollen.

So kann der Netzausbau in Deutschland vorankommen: Verlängerung von Flächenfrequenzen als Grundlage für neue Versorgungsauflagen

Neben der Erschließung heute nicht ausreichend mit Mobilfunk versorgter weißer Flecken in besiedelten Gebieten geht es auch um die Fortentwicklung der bestehenden Versorgung für 98 % der Haushalte und um die Verkehrswege in Deutschland. Aus Sicht von Telefónica sollten BNetzA, Beirat und Netzbetreiber nun intensiv an einem Konzept arbeiten, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Telefónica schlägt hierfür die zeitnahe Verlängerung der bestehenden, jedoch in den Jahren 2025 bzw. 2033 auslaufenden Frequenznutzungsrechte für 800 MHz und 700 MHz bis zum Jahr 2040 vor. Jeder Netzbetreiber, der eine solche Verlängerung zu jährlichen Frequenznutzungsgebühren gemäß der Frequenzgebührenverordnung akzeptiert, müsste sich im Gegenzug zu neuen Versorgungsauflagen verpflichten, die mit den zur Verlängerung stehenden Frequenznutzungsrechten zu erfüllen wären. Die hierfür in Rede stehenden Flächenfrequenzen sind für eine zumutbare, aber dennoch anspruchsvolle Versorgungsauflage mit starkem Flächenbezug geeignet. Je früher eine solche Verlängerung durch die BNetzA in die Wege geleitet wird, desto früher wäre auch die Definition einer Versorgungsauflage für die Fläche möglich.

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