Zukunftskongress Staat und Verwaltung: Bundes-CIO Klaus Vitt zu E-Government- und IT-Sicherheitsvorhaben

Foto: CC BY-SA 2.0 Flickr User Christiaan Colen. Bildname: Computer login. Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 27.06.2018

Beim Zukunftskongress Staat und Verwaltung, der vom 18. bis 20. Juni in Berlin stattfand, sollte eigentlich Bundesinnen­minister Horst Seehofer (CSU) seine Vision für den digitalen Staat im Jahr 2021 darlegen. Ob der politischen Situation wurde er von Klaus Vitt, Bundes-CIO und Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), vertreten. Dieser lieferte viele Details sowohl zu im Koalitionsvertrag verabredeten als auch zu neuen Vorhaben in den Bereichen E-Government und IT-Sicherheit sowie zur Koordinierung der Digitalpolitik in der Bundesregierung.

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Datenpolitik

Im Kontext der Neuordnung der Abteilungen im BMI sprach Klaus Vitt über die Daten-Ethikkommission, dessen Federfüh­rung das BMI zusammen mit dem Bundesjustizministerium (BMJV) innehat.

„Wir müssen uns zu Big Data als Prinzip der digitalen Schatzsuche bekennen und gleichzeitig die Regeln dafür neu justieren“, so Vitt.

Es bleibe dabei die „Kernaufgabe des Staates, die Daten seiner Bürger zu schützen“. Er erläu­terte die drei Leitfragen, mit denen sich die Kommission be­schäftigen soll, nachdem sie diesen Sommer eingesetzt wird. Es werde vordergründig um die Themenkomplexe „Algorith­menbasierte Prognosen und Entscheidungen“ – im Fachjargon ADM-Systeme –, Künstliche Intelligenz sowie Daten­ökonomie bzw. die Nutzungsrechte an Bürgerdaten gehen.

Once-Only-Prinzip 2.0

Darüber hinaus legte Vitt dar, wie die weitere konsequente Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) erfolgen soll. Notwendig dafür seien u.a. eine neu gestaltete Registerland­schaft und die Einfügung des Once-Only- Prinzips – wie im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorgesehen. Bei der Frage nach weiteren Änderungen an den gesetzlichen Rahmenbedingungen für bestimmte Bereiche der Verwaltungsdienstleistungen, die digitalisiert werden sollen, ging er auf das Projekt „ELFE“ (Einfach Leistungen für Eltern) ein, das derzeit in Bremen pilothaft erprobt wird und die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse rund um die Ge­burt eines Kindes voranbringen soll. Seiner Vorstellung nach werden einzelne Verwaltungsdienstleistungen – wie ELFE – nach und nach digitalisiert und die rechtlichen Grundlagen dafür entsprechend angepasst. Bremen plane derzeit eine entsprechende Bundesratsinitiative, so Vitt. Ein entspre­chender Antrag ist seitens des Landes Bremen noch für den nächsten Bundesrat am 6. Juli vorgesehen. Das Bundesland hat die Initiative noch nicht eingereicht, weil noch Kabinetts­beschlüsse in Unterstützer-Ländern abgewartet werden, bestätigte die Bremer Finanzbehörde auf Nachfrage des Tagesspiegel Politikmonitorings. Ebenso kleinteilig scheint der Ansatz der Bundesregierung bei den Registern zu sein: Auf Nachfrage des Normenkontrollratsvorsitzenden Johan­nes Ludewig, ob es ein großes „Registermodernisierungsgesetz“ geben wird, antwortete Vitt, dass es eher einen schrittweisen Ansatz geben wird.

Neu waren Vitts Pläne für die Weiterentwicklung des Once- Only-Prinzips zum Prinzip „Once Only 2.0“.

„Die Idee ist, dass Daten nicht nur alleine für den verwaltungsinternen Gebrauch genutzt werden. Vielmehr wird die Verwaltung zu einem echten Datenbroker“, erläuterte Vitt.

Sofern der Bürger einwilligt, könnte die Verwaltung auch Daten an zer­tifizierte Dritte übermitteln und so weitere Dienstleistungen anbieten. Als Beispiel nannte der das Szenario Umzug:

„Nicht der Bürger wird sich selbst ummelden müssen, sondern ein Dienstleister, z.B. eine zertifizierte Hausverwaltung, über­nimmt dies für ihn. Die Hausverwaltung wird sozusagen in den gesamten Prozess eingebunden.“

Dieser Vorschlag des Kompetenzzentrums Öffentliche IT für Berlin habe besonde­res Potenzial für die Stadtstaaten, mutmaßte Vitt gegenüber dem Tagesspiegel Politikmonitoring.

Nutzerorientierung First

Um noch mehr „Nutzerorientierung First“ in die Verwaltung zu injizieren, hat der Bundes-CIO Pläne für eine im BMI an­gesiedelte E-Government-Agentur. Dieses „Think-and-do-tank“ soll ein „strukturelles, breitgefächertes Innovations-management für die Bundesverwaltung“ bilden. Die wissen­schaftliche Unterstützung soll in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Öffentliche IT beim Fraunhofer-Institut FOKUS erfolgen, darüber hinaus sei eine Zusammenarbeit mit Innovationseinheiten auf Länder- und Kommunalebene denkbar. Die Agentur wolle drei Bereiche in den Blick neh­men: Im Bereich Wirtschaft, will die Agentur einen Überblick über die Landschaft der E-Government-Anbieter geben und dabei insbesondere auch Startups untersuchen. Im Bereich Zivilgesellschaft müsse die Agentur auch die bestehenden Anwendungen, die für ehrenamtliche Zwecke entstanden sind, evaluieren. Im Bereich Verwaltung wolle man die ge­samte Transformation der Anwendungen begleiten und da­für auch „verwaltungsinterne Startups“ und Labore erpro­ben. Vitt stellt sich vor, so bald wie möglich mit einem kleinen Aufbaustab von zwei bis drei Leuten im BMI zu beginnen, das Projekt schrittweise zu vergrößern, um voraussichtlich im Sommer 2019 als Agentur realistisch arbeitsfähig zu sein.

Bundesverwaltung

Der Bund müsse auch sein „eigenes Haus aufräumen“, stellte Vitt fest.

„Wir werden in der Bundesverwaltung flächende­ckend die E-Akte implementieren, wir werden Rechnungen künftig nur noch elektronisch annehmen und weiterverarbeiten, wir werden Gesetzgebungsverfahren – als einer der letzten Staaten weltweit – digital komplett ausführen, vom ersten Referentenentwurf über Ressortabstimmung und Par­lament“,

fasste er die Vorhaben zusammen. Für alle Gesetz­entwürfe und Stellungnahmen soll es demnächst eine zent­rale Website geben.

IT-Sicherheit

Vitt sprach auch über Herausforderungen im Bereich Cyber-und IT-Sicherheit – da „ein angemessenes Schutzniveau heute kein Garant für eine erfolgreiche Abwehr der Angrif­fe von morgen“ sei. Er plant, das Cyber-Abwehrzentrum zu einer zentralen ressortübergreifenden Koordinierungsstelle weiterzuentwickeln. Bei der Fortentwicklung des IT-Sicher­heitsgesetzes stelle sich derzeit die Frage nach der Ausdeh­nung auf weitere Unternehmenskreise bis hin zum kleinen, mittelständischen Unternehmen. Vitt gab aber auch zu be­denken, dass eine rein reaktive Cyberabwehr aus Sicht der Bundesregierung auf Dauer nicht haltbar sei.

„Wir benötigen als letzten Schritt auch Möglichkeiten für eine aktive, zivile Abwehr“, so Vitt.

Die aktive Abwehr prüfe die Bundesregie­rung derzeit. Ein aktuelles Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages verweist auf die verfassungsrecht­lichen Bedenken bei „Hackbacks“, also aktiven Gegenmaß­nahmen des Staates im Cyberraum. Ob der Komplexität der Fragestellungen in diesem Bereich sei es das Ziel der Bundes­regierung, „zeitnah“ Vorschläge zu machen.

Schlüsseltechnologien

Eine weitere Agentur im Aufgabenbereich des BMI entsteht in Zusammenarbeit mit dem Bundesverteidigungsministe­rium. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene „Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüs­seltechnologien“ (ADIC) soll die Förderung bahnbrechender Cybersicherheits-Technologien und der dafür notwendigen Schlüsseltechnologien sicherstellen. Aus Sicht des Bundes-CIO bestehe die Gefahr, dass die „digitale Souveränität mehr und mehr verloren“ geht, weil wichtige Schlüsseltechnologi­en aus Amerika oder Fernost importiert würden. Die neue Agentur solle deshalb dort greifen, wo nationale oder euro­päische Forschungsprogramme bisher keinen ausreichenden Beitrag leisten – um den

„Bedarf der Wirtschaft und des Staa­tes, inklusive militärischer Anwendung, mittel- und langfris­tig zu sichern“, so Vitt.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch ist Analystin für Netzpolitik.

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