Fake News und Hate Speech: Plädoyer für einheitliches EU-Beschwerdemanagement

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Thijs ter Haar Bildname: European Union Flags 2. Ausschnitt bearbeitet.
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Veröffentlicht am 08.03.2017

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) möchte gern ein „Abwehrzentrum gegen Desinformationskampagnen“ errichten, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wünscht sich mehr Engagement von den Betreibern Sozialer Netzwerke und liebäugelt mit höheren Strafen – die Lösungsansätze für die aktuelle Fake-News- und Hate-Speech-Problematik sind so zahlreich wie die Medienberichte, die sich derzeit diesen Themen widmen.

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hat jetzt in einem Brief an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Andrus Ansip, eine europäische Initiative gefordert, „um die drohende Fragmentierung des Rechts und der Märkte zu verhindern“. Sie denkt dabei an ein einheitliches europäisches Beschwerdemanagement. Brigitte Zypries mahnt in ihrem Schreiben an, die Debatte zu versachlichen und einen differenzierten Umgang mit Hate Speech, Fake News und Sozial Bots zu finden. Man müsse dabei einerseits „zwingend sicherstellen“, dass fundamentale Grundrechte – als Beispiele nennt sie die Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie die Grundrechte auf Informationsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung – gewahrt bleiben.

Andererseits müssten aber auch „unverhältnismäßige Belastungen für europäische Internet-Service-Provider“ verhindert werden, schreibt Zypries. Dies fordert die Bundeswirtschaftsministerin allerdings nicht nur, um die Unternehmen zu schützen, sondern verweist dabei auch auf eine drohende gesellschaftspolitische und juristische Fehlentwicklung:

„Leider gehen nach meinem Eindruck viele Forderung in die Richtung, die Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber derart auszuweiten, dass sie einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung gleichkommt“, so Zypries.

Auch in der Großen Koalition gibt es Überlegungen, Unternehmen wie Facebook und Twitter mittels Bußgeldern zum schnelleren Reagieren auf die Meldung geposteter rechtswidriger Inhalte zu zwingen. Ein entsprechender Gesetzentwurf aus dem Hause von Heiko Maas steht aber noch aus. Die Unionsfraktion drängt den Justizminister seit Wochen, den Entwurf vorzulegen. Bisher hat das Bundesjustizministerium aber nicht einmal den Termin für die Präsentation einer Studie von Jugendschutz.net zum Reaktionsverhalten von Facebook angekündigt. Diese Studie wollte Maas abwarten, bevor er über seine Vorschläge für Gesetzesänderungen entscheidet.

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Thijs ter Haar Bildname: European Union Flags 2. Ausschnitt bearbeitet.

Die SPD-Bundestagsfraktion will bei ihrer Sitzung am 6. März ihr Positionspapier zum Thema verabschieden. Der Entwurf enthielt mehrere konkrete Regulierungsansätze für Social-Media-Plattformen, insbesondere durch Änderungen im Telemediengesetz (TMG). Brigitte Zypries spricht sich in dem Brief an Andrus Ansip, der derzeit kommissarisch das ehemalige Oettinger-Ressort digitale Wirtschaft und Gesellschaft mit betreut, hingegen eindeutig gegen nationale Gesetzesinitiativen aus. Sie würden ihrer Ansicht nach zu einer Fragmentierung des europäischen digitalen Binnenmarktes führen. Hinsichtlich einer europäischen Regelung begrüßt die Bundeswirtschaftsministerin zugleich, dass sich die Kommission dagegen entschieden habe, „Änderungen am Haftungsregime der E-Commerce-Richtlinie“ vorzunehmen.

Sie plädiert stattdessen für eine Konkretisierung der Verfahrenskriterien auf europäischer Ebene. So seien Plattformbetreiber bei der Anwendung von Artikel 14 der E-Commerce-Richtlinie derzeit Rechtsunsicherheiten durch unbestimmte Rechtsbegriffe ausgesetzt. Darüber hinaus wünscht sich die Bundeswirtschaftsministerin Hinweise von der EU-Kommission, welche freiwilligen Maßnahmen Plattformbetreiber ergreifen könnten, „ohne seine neutrale Rolle als Vermittler aufzugeben“.

Eine Präzisierung hin zu einem „einheitlichen europäischen Beschwerdemanagement“ könnte nach Ansicht von Zypries die „drohende Fragmentierung des Rechts und der Märkte“ verhindern.

„Mit sektorübergreifenden, EU-weit harmonisierten Notice & Action-Verfahren schaffen wir nicht nur Rechtssicherheit, sondern verhindern zugleich, dass das für die Digitalisierung so elementare Haftungsregime defacto unkontrolliert ausgehöhlt wird“, wirbt die Bundeswirtschaftsministerin bei der EU-Kommission für ihren Ansatz.

Die Zukunft des sozialen Umgangs im Netz wird in der nächsten Veranstaltungsreihe der Data Debates mit Telefónica Deutschland als Initiator und Partner der Reihe am 30. März diskutiert.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist Analystin für Verkehrs- und Netzpolitik.

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